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Was für ein geschäftiger Platz. Ein Jahrmarkt der Rechte. Hunderte quirlten durcheinander. In einer riesigen Halle schienen mehrere Prozesse gleichzeitig zu laufen. Anwälte in schwarzweiß, Richter mit Perücken. Ich war beeindruckt. Und musste über eine Veranda in den 1. Stock zu Zimmer Nummer 7. Viele Menschen warteten. Pünktlich um 9 erfragte ich Eintritt. Doch wie der Chef de Brigade schon vorher wusste, hätte ich mich nicht zu beeilen gebraucht, die hätten sowieso Verspätung. Auch vom Kläger noch keine Spur, nahm ich Platz auf einer Holzbank.
Etwa eine Stunde später begann ein Schauspiel, das man nie wieder vergessen wird.
Es kam nicht nur der Schweizer. Nein, von meiner Holzbank mit Aussicht von oben sah ich sie kommen. Das ganze Gesindel von Avepozo. Es wurden immer mehr. Zum Schluss so etwa 10, die mich alle böse anschauten und mich mit ihren Blicken wissen ließen, dass es heute, zu diesem denkwürdigen Termin sie es waren, die mich für fünf Jahre ins Gefängnis brachten. Ein wenig unsicher, trotz der hochkarätigen Rückendeckung wurde ich schon ob dieser visuell geschleuderten Vorbestrafungen.
Als ich um 11 in das Büro eingelassen wurde, saß da eine Richterin, die über die Klage zu entscheiden hatte ob sie angenommen oder abgelehnt wird. Ein kleiner Raum mit vier Besucherstühlen. Auf dem linken nahm ich Platz. Rechts IQ-Whiskeyflasche der wie üblich bitterböse schaute, dann Mongo-Doppelkinn, der wie üblich aussah, als wisse er gar nicht genau was abgeht, sich aber freut dabei zu sein und daneben in trauter Dämlichkeit ebenso böse glotzend wie der Sohn, die auf der vorigen Seite schon genau beschriebene Schlange von Mutter, die dieses aktuelle Theater inszenierte. Dahinter drappierten sich die restlichen Sieben im Stehen.
Die Frau Richterin schaute, als hätte sie solch eine kuriose Ansammlung selbst noch nicht gesehen. Immer wieder an den Gestalten entlangblickend dauerte es gute 10 Minuten, bis sie sich ein Herz nahm und fragte, wer denn nun diesen Herrn da anzeigen würde? Ich, ich, ichich, Ich. Es ging in nun wilder Erregung durcheinander. Ich, ja ich auch, ich ich. ... Wie? Alle Zusammen? .... Ja wir, ich, wir, ja, alle.
Schweigen. Die Erregung unter den Anzeigenden legte sich ein wenig. Die Richterin gab leise Anweisungen an einen Mitarbeiter. Es vergingen spannende zehn Minuten. Es war ihr anzusehen, dass sie mit dieser Situation Schwierigkeiten hatte. Dann fragte sie: Ja. Wegen was denn alle diesen Herrn da anzeigen wollten? Wieder steigerte sich die Erregung wie bei einem Dammbruch: Ah. ÄÄaah. aa. Ähh, mmmh, lui la, äääh, äm. Wild ging der Versuch durcheinander, die richtigen Worte für meine Schuld zu finden, bis nach einer Weile der Besitzer des IQ in einem ganzen Satz bedeutungsvoll sagte: Der redet schlecht über uns!!!!
Dieser Herr redet schlecht über euch alle? Ja, ja, ja. Das tut er. Er redet schlecht über uns alle. Deshalb muss er bestraft werden.
Mir fiel fast der Unterkiefer weg. Ungläubigkeit und ein langsam hervorquellenwollender Lachanfall hielten meine Miene einigermaßen im Gleichgewicht.
Ob ich mich zur Sache äußern dürfe, fragte ich die Richterin. Doch gerne. Bitte.
Nun. Ich sei hier in Togo um meine kleine Firma aufzubauen, was mir bisher nicht wirklich glücken wollte, denn ich würde ständig von Betrug und Diebstahl heimgesucht. Vorher in Deutschland wäre ich eine angesehene Firma gewesen und hätte sogar die Ehre gehabt, den früheren Präsidenten zu beraten und noch heute suchen Parlamentarier meine Rat zu kulturellen Angelegenheiten Afrikas, auch wenn das mit der Firma noch nicht so klappt.
Dass es allerdings nicht klappt, hätte viel mit den anwesenden Personen zu tun. Jener Herr neben mir, beleidigt mich seit drei Monaten fast jeden Abend, der seltsam dreinblickende Nachbar feuert ihn an, wenn ihm der Atem ausgeht. Die Dame daneben heizte zu Beginn ihren Sohn gegen mich auf, ohne dass ich wisse, was ich ihr jemals getan hätte. Hinter ihr steht ein Rastamann, von dem die Polizei vermutet, dass er an dem ersten Einbruch beteiligt war. Daneben stehen die Zwillinge, die in Avepozo und Baguida den Ruf von Hafendieben haben und denen schon unzählige Einbrüche nachgesagt werden. Unter anderem den zweiten bei mir.
Daneben ein Übersetzer, der keinen Grund hat mich anzuzeigen und gar nicht autorisiert ist, die ihnen vorgelegten Briefe zu übersetzten. Er verfügt über nur mangelhafte Deutschkentnisse und bekam ausserdem von der schweizer Dame nur Auzüge von privaten Briefen, die sie ihrer Mutter entwendet hätte. Weshalb die Übersetzungen dem Gericht gar nicht eingereicht werden dürfen. Daneben steht ein Gendarm, der sich als bezahlte Kraft in diese Affäre eingeschlichen hätte, sich aus Gefälligkeit wichtig mache und sich am Terror des ersten Herrn eifrig beteiligen würde ...
Hier wurde ich von der Richterin unterbrochen. Wie bitte? Sie sind Gendarm. Sofort Ihre Papiere. Das dunkle Großmaul wurde abwechselnd bleich und grün, denn nun schien ihm aufzugehen, was er da die letzten Wochen abzog. Die Richterin behielt seine Papiere ein. Schaute nun ihrerseits ziemlich ungehalten in die Runde und fragte, ob die anwesenden Herrschaften das alles ernst meinten. Die anwesende Dame und Herrschaften begriffen noch nicht die Ausweglosigkeit ihres Ansinnens und wieder, der nächste Dammbruch, schwallte es: ja, ja, oui oui, der muss bestraft werden, der redet schlecht über uns.
Ruhe! An mich gewandt sagte sie: Bitte, schreiben Sie besser keine Briefe mehr und Sie, sie alle, sie gehen jetzt nach Hause und lassen diesen Herrn in Ruhe.
Welch ein Inferno. Die schweizer Altmatrone wollte die Übersetzungen über den Tisch schieben, die alles beweisen, wie schlecht ich über sie rede. Der Rastamann brabbelte von Gefängnis, Mongo Doppelkinn durfte auch Töne von sich geben, IQ war höchst erregt, wie konnte ihr Anliegen abgewiesen werden? Nach nochmaligem Hinaus !!! , lassen sie diesen Herrn in Ruhe, begann sich langsam ein Einsehen breit zu machen, dass man wohl in der Sache verloren hätte.
Avepozos internationaler Trupp von Alkoholikern und Bananendieben schlich sich. Nur der Gendarm musste noch bleiben. Ich gönnte mir, mit nun freiem Atem, noch ein wenig vor der Türe zu warten, bis er von der rüden Verwarnung der Richterin entlassen wurde. Als er an mir vorbeischlich, konnt ich mir den kleinen Triumpf nicht verklemmen und raunte ihm zu, wenn ich ihn noch einmal unangenehm vor mir auftauchen sehe, hänge ich im die Brigade Anti-Gang an den Hals, worauf er im Zeitraffer noch einmal die bleich-grünliche Verfärbung bekam.
Ah. Tat das gut. |