Wurstmacher Rainer war nach schulischer Bildung einige Jahre bei der Post und hätte er nicht den Einfall bekommen, mit Lastkraftwagen durch die Sahara zu fahren, wäre in seinen 60 Jahren vielleicht etwas ordentliches aus ihm geworden. Doch schon zu Zeiten eines soldatischen Dienstes begann Alkohol in ihm Spuren zu zeichnen. Was damals noch skizzenhaft angelegt war, wurde im Alter zu einem monumental gemalten Drama und er übte eifrig daran auf seinen Reisen. Schon damals hatte er den Ruf, seine Geschäfte immer ein wenig auf Kosten anderer nicht ganz sauber durchzuziehen und das Attribut nicht ganz sauber wurde denn auch zu einem Markenzeichen seiner Unterhemden.
Im Hafen in Lomé begann er zwischen LKW’s, irgendwann in den 1980ern, sich Würste zu Mittag zu erhitzen und schuf in der Folge eine kleine Fangemeinde. Da Alkohol zweifellos etwas geselliges hat, und Würste mit Senf etwas passendes, stieg die Nachfrage. Seine Geschäfte mit Fahrzeugen hatten irgendwann nicht mehr den gewünschten Erfolg und LKW-Händler Rainer beschloss, zur Gänze ins gastronomische Fach zu wechseln. Was vielversprechend begann und viele legendäre Unfälle des Nächtens nach sich zog sollte jedoch bald ins Wanken geraten. Nach getaner Arbeit musste der Hang zu jungen Mädchen mit möglichst großen Titten auch noch gestillt werden, was sich auf der Seite der Miet- Strom- und Angestelltenbezahlung sehr negativ auswirkte.
Als dann noch seine indigene Angetraute mit Kind und Restgeld einen eigenen Weg suchte, war es um den Wurstmacher geschehen. Innerlich schwer verwundet, begann er restfrei gefühllos zu werden und steigerte den Konsum von Alkohol ins heroische. Hatte er bis dahin noch einen einigermaßen guten lokalen Ruf, denn bescheissen war in seinen beruflichen Kreisen etwas nicht allzu verwerfliches, ging es nun mit ihm bergab. Stringent und zielführend Berg ab. Wo er auftauchte fehlte Geld, er ruinierte Autos, anderer Leute Beziehungen und musste alsbald den Stadtteil wechseln.
Genau in jenem Moment erschien der Schreiber dieser Zeilen in Lomé. Er traf den Wurstmacher in einem Gebäude an, von dem er vorgab, seine vorherig wunderbar florierende Gastronomie darin fortzusetzen. Durch Schicksalsschläge verursacht, fehle jedoch ein Kapital zum sinnvoll durchstarten. Glaubwürdig untermalt von Aufträgen aus der Deutschen Botschaft die private Bestellungen von Leberkäs und riesige Mengen an Sauerkraut mit schweinischen Beilagen für offizielle Anlässe orderte.
Verlogenheit war eine bestimmende Eigenschaft des nun Verstorbenen und ebenso zielführend wie bei Berg ab war sein Einsatz dieser Eigenschaft beim wittern eines damals noch vollen Geldbeutels. Die wenigen männlichen Besucher seiner ungastlichen Stätte waren bis auf Ausnahmen alles Menschen, die er in der Zeit vor Eintreffen des Autors ebenfalls schon um kleine und große Beträge erleichtert hatte und die in sein Etablissement nur kamen, um Schulden ab zu essen. Bis der Autor begriff, dass deshalb alle nichts erzählten um über Fleisch gefüllte Teller etwas zurückholen zu können, war auch er um einiges Geld erleichtert.
Das an sich hätte nun nicht all zuviel ausgemacht. Es war ja nicht das erste Mal im Leben, dass man wegen gutem Glauben ein wenig über den Tisch gezogen wurde. Doch der vermeintliche Gastronom hatte noch eine weitere, sehr unappetitliche Strategie auf Lager. Die er beschissen hatte, hielt er an der Leine mit etwas, das sie schweigen ließ. Hier ein kleines Mädchen, dort ein Fehltritt von dem die Ehefrau nichts erfahren durfte, ein nicht ganz koscheres Geschäft, ein glückhaft zugespieltes Pfand. Wer einmal zufällig im Strandlokal vor der deutschen Botschaft mit dem bärtigen, dickbäuchig Zahnlosen in Schlotterhosen zusammen saß, wenn er nachmittags vor togoischen Gästen ungeniert und sturzbetrunken ein Mädchen in Schuluniform abschleckte, weiß was ein superpeinlicher Moment ist.
Es gibt vieles was man nützen kann und als Gastronom im Suff sitzt man ja an der Quelle der Informationen. Kurz, er gehörte zu jener Spezie Mensch, die, schon tief im Dreck, die hilfreich gereichte Hand nicht zum herauskommen nützten, sondern die Helfenden mit hineinzog in den Schmodder.
Dort drin bewegte sich auch sein Freund Schorsch, der ein paar Monaten vorher die Löffel sehr spektakulär abgab. Die Presse war voll von Monsieur Rainers Busenfreund mit dem er nächtens um die Hütten zog. Schorsch war vor seinem Abgang ein wenig übel zugerichtet worden. Neben ein bißchen direkter Folter hatte man ihm noch die Mafia-Schleife gebunden. Ein Strick um Hände und Beine, die, wie ein Käfer auf dem Rücken liegend, noch eine lustige Verlängerung um den Hals hatte. Bei Ermüdung der Glieder zog sich diese Schleife um den Nacken ganz langsam zu und erlaubte noch ein wenig Nachdenken, bevor sich die Seele würgend vom sterblichen Rest löste.
Eigentlich hätte es das nicht mehr wirklich gebraucht, denn wie Herr Rainer hatte ihn der Alkohol schon so dermaßen im Griff, dass er, von Togoern auf dem Gehweg leicht geschubst, schon in Bauchlage ging. Trotzdem teilte er mit Herrn Rainer die Leidenschaft für kleine Mädchen was letztlich wohl den Grund für sein zugefügtes Leiden schaffte. Mit dem kleinen Unterschied, dass der Schorsch eher die kleinen Möpschen bevorzugte. Selbst ein verknautschter alter Hering, durfte auch sie möglichst 38 Kilo nicht überschreiten. Herr Rainer dürfte also die letzten Monate seines Daseins ein wenig einsam gewesen sein. Zurückgezogen war er denn auch. Hin und wieder erbat er sich von Alice, die wir nun auch schon kennen, noch ein Schnorrerbierchen. Tauchte er mal anderswo auf, wie am 3. Oktober auf dem Fest der Wiedervereinigung der Botschaft, geschah es denn auch, dass ihm mitten in der honorigen Ansammlung ein erboster Besucher eine knallte. Da vergeht einem natürlich ein wenig die Lust auf Gesellschaft.
So redselig Herr Rainer mit seinem Restintellekt sein konnte, so geheimnisvoll schweigen konnte er. Den Betrug an anderen quittierte er mit einem wissenden Nicken und schaffte es so, wieder anderen glaubhaft zuzunicken, dass der, der vorgab beschissen worden zu sein, selbst ein verursachendes Teil der Geschichte sei. In meinem Fall gab er mir einfach keinen Kaufvertrag für einen erstandenen Schrott mit Motor und wollte mich nötigen diesen zu fälschen um dann damit seinen eigenen Betrug zu Deckeln. Seine Strategie ablehnend um nicht in seine Fänge zu geraten, musste ich als Tribut 15 Monate warten, in denen ich ihn fast täglich einmal mit Blitz verwünschte und in einem Hassschub hasste.
Mehrere Einbrüche, die, wie die Gendarmerie nicht zu unrecht vermutete, von Personen aus seinem Umfeld des Avepozo Flat bei mir begangen wurden, führten dazu, dass ich meine letzten Wertgegenstände bei mir im Auto mitführen musste. Was wenige wissen, der Kofferraum eines Mercedeskraftwagens hat die Funktion eines Safes. Zu diesem Auto gab er mir bei Kauf ohne Vertrag aber auch keinen zweiten Schlüssel. Beides zwar zugesagt, aber nicht gegeben. Im einsamen Haus konnte ich die Wertgegenstände nicht lassen und das Auto konnte jederzeit von Herr Rainer abgeholt werden und gehörte, trotz bezahlt, dann rechtlich ihm. Dieses Dilemma mit vielen weiteren Auswirkungen genoss er sichtlich und so saß der nun ehemalige Wurstmacher zynisch lächelnd vor einer Dose Becker's Bier und nickte schweigend wissend, wenn er darauf angesprochen wurde. Jeder hat so seine eigene Art, ihm zuteil werdende Aufmerksamkeit zu genießen. Als Betrogener wurde ich langsam zum Schuldigen, der dem armen Alkoholiker keine Ruhe gönnte. Doch ich hasste ihn jeden Tag, wenn ich meinen Computer vom Büro, das vermutlich seine Freunde plünderten, in den Kofferraum eines Fahrzeugs packte, dass vor jedem Lokal einfach von ihm abgeholt werden konnte.
Fußgänger, der ich bisher war, fuhr ich nun jeden Meter mit dem Auto um es bei mir zu haben, wurde dicker und hatte, ohne Kofferraum, ein ernstes logistisches Problem wenn es in der Werkstatt stand. Auch dort stand es oft und auch dort musste ich zwangsläufig an Herrn Rainer denken, wie er mir ein technisch einwandfreies Fahrzeug pries. Da mittlerweile durch togoische Verhältnisse mein Geld immer knapper wurde, reichte es auch nicht für ein neues Fahrzeug und so erschien mir Wurstmacher Rainer täglich. Erst nach 15 Monaten, als sein letzter Kreditgeber von der deutschen Botschaft, nun auch er mehrfach von Herrn Rainer erleichtert, mit sehr ernsten Konsequenzen drohte und sich für mich einsetzte, bekam ich meinen Kaufvertrag und konnte seinen Namen aus den Papieren tilgen.
Ähnlich dominant war Herr Rainer im Leben einiger anderer. Er empfand vor der Bierdose sitzend die letzte emotionale Zuckung des Psychopathen. Perverse Freude darüber, dass jemand sich über ihn ärgerte. Ich werde nicht zum Begräbnis gehen um zu sehen ob ihm einige nachspucken statt ihn mit Dreck zu bewerfen. Und doch geht eine Legende von uns. Einer der mit literarischer Konsequenz das Schlechte lebte und sicherlich hier und dort auch Gutes tat. Gut, das Gute habe ich nicht mitbekommen, aber ich möchte es ihm vor dem Angesicht des Todes mal versöhnlich unterstellen.
Bei der letzten Feierlichkeit der Botschaft setzte man, zwei Monate vor seinem Abgang, als hätte Deutschland nichts anderes zu bieten, schon wieder auf Sauerkraut und totes Schwein. Diesmal allerdings ohne Herrn Rainer. Obwohl er .. Dingens, na .. ich habs zensiert ..., sagen wir mal lieber Sch mutz, unterm Fingernagel hatte, war sein Sauerkraut früher besser als dieses Mal von jemand anders, das wollen wir doch nochmal festhalten, bevor ins dunkle Loch mit Dreck nach ihm geworfen wird.
Weiter reicht meine versöhnliche Anwandlung leider nicht. Ich hab wirklich versucht noch was zu finden. Der Gemüseteller aus der Dose, fürs gleiche Geld wie totes Schwein, taugt jedenfalls nicht dafür.
Schön mitzubekommen, wie eine Woche nach Erscheinen dieser Zeilen ein paar Wichtigtuer schon wieder wichtig so tun, als dürfe man über Tote nicht schlecht reden. Es ist den Pfaffen überlassen ihn nun schön zu reden. Er hatte doch Glück bis zu seinem Ende, für nichts belangt worden zu sein. Ich aber sage: Fahr zur Hölle, Missjö Raina’. Schweine und kleine Mädchen wirst du dort leider nicht finden, denn die sind im Himmel. Nur den Schorsch, den triffst du wieder und wirst mit ihm vor einer einzigen Dose warmem Becker's Bier sitzen und mit Silikon spielen.
Und eine Botschaft für die verbogenen Moralisten, die noch versuchen posthum was aus ihm zu machen und über diesen Artikel stänkern habe ich auch noch. Für die, deren Töchter es nicht nötig haben, sich für 1 Euro 50 von einem alten schmutzigen Sack abschlecken zu lassen. Ein einziges Mal hatte ich ihn am Hemd. Als er sich ungefragt an unseren Tisch setzte obwohl er wusste wie ich brodelte und Nachrichten schaute. 250 von Boko Haram entführte Mädchen und weinende Mütter kommentierte er mit seinem üblichen Zynismus: "Die kannst du vergessen, die sind jetzt gebraucht."
Wer das gut findet, der möge einen Stein nach mir werfen. Um sich dann aber besser aus meinem Umfeld fort zu machen. Sonst hört er noch ein paar Geschichten dieser Art.
Fahr zur Hölle Rainer.
Übrigens. Er würde grinsen bei diesem Spruch.