Galerie Peter Herrmann |
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Alte Kunst aus Afrika |
Foto: Peter Herrmann. 2014 |
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Benin, Nigeria
um 1500
Bronze
24,5 cm |
Helle Patinierung mit Spuren von Kupferacetat deuten auf eine Grabungspatina. Vertikale Tatauierungen an der Stirn mit Fragmenten von Eiseneinlagen an den zwei mittleren Ritzungen. Weitere Tatauierungen vom Mund nach hinten können stilistisch mit Barthaaren einer Katze verglichen werden. Sie sind, bis vor Kurzem noch häufig, doch immer weniger werdend, bei den Yoruba üblich. Diese Merkmale sind von Bedeutung, wird von Ethnologen doch die durch wenig zu belegende Behauptung aufgestellt, die Frisur sei eine "Ibo"-Frisur und deshalb ein Kopf dieser Art der Kopf eines erschlagenen Feindes. Diese durch die Literatur geisternde Beschreibung muss man wohl verwerfen. Es ist anzunehmen, dass einige Köpfe einen solchen Hintergrund hatten, doch die Mehrzahl der bekannten Köpfe sind als reine Gedenkköpfe ohne Blutrunst zu betrachten. Sieh hierzu den Text von Dorina Hecht bei einem vergleichbaren Kopf.
Interessant die Tendenz des Naturalismus in der Wiedergabe. Durch die Jahrhunderte veränderte sich dieser Typus eines Gedenkkopfes immer mehr zu einer abstrakten Darstellung. Der mit Korallen verzierte Hals hat an diesem Kopf noch eine schlichte Wirkung. Bis ins 18. Jahrhundert verändert sich die royale Mode und der Korallenkragen wird teilweise bis über den Mund nach oben gezogen. Inwieweit dies auf unterschiedliche Hirarchien deutet ist noch nicht erforscht.
Wenn in den nächsten Jahren einige von der ethnologischen Wissenschaft errichteten fehlerhaften stilistischen Beschreibungen als Tabus ad acta gelegt werden, ist dieser Kopf für die Forschung von Bedeutung. Er ist als einer der ältesten seines Typs zu sehen und kann somit als Archetyp einer stilistischen Zuordung gesehen werden.
0,5% Aluminium in der Patinierung wurde von Aventis in der anhängenden Analyse als Silikat entschlüsselt und als Verunreinigung der Oberfläche dechiffriert. 0,29% Aluminium in der Legierung selbst ging im Jahre 1999 noch als unbedenklich durch. In der Analyse wurde nicht unterschieden zwischen Silikat, Oxyd und gediegenem Aluminium, was in der zukünftigen Forschung ein Rolle spielen könnte.
Eigentlich wichtig ist hier folgender Umstand: Kurze Zeit nach Erstellen der Analysen setzte sich ungeprüft die Behauptung durch, das Vorhandensein von Aluminium, egal in welchem Zustand, sei ein eindeutiger Beweis für "neu". (Siehe: Alterszuordnung von P. Herrmann) Da diese Behauptung von einem Fernsehprofessor in die Welt gesetzt wurde, erreichte sie schnell eine Aktualität unter Ethnologen, deren Sehnsucht nach Anerkennung durch einen willfährigen Professor in der Tradition von primitivem Standesdünkel gestillt wurde. Prof. Dr. Ernst Pernicka, dessen Expertisen in den folgendenden Jahren in mehreren Prozessen abgelehnt wurden, stellte sich somit gegen Dr. G. Feucht von Aventis. Ein Herr Neunteufel, der das aufgelöste Labor von Aventis übernahm, erwarb deren Expertisen gleich mit. Er folgte zu Beginn seiner Tätigkeit noch den Theorien von Dr. Feucht von Aventis, übernahm irgendwann jedoch die Behauptung Pernickas. Es bleibt Aussenstehenden ein Rätsel, ob er Kunden, denen er zunächst bescheinigte alte Objekte zu haben, nach seiner 180-Gradwende mitteilte, sich getäuscht zu haben und ihre Objekte müssten folgerichtig und nachträglich als "neu" betrachtet werden. Dies ist jedoch kaum anzunehmen, da er ja sonst juristische Verfahren in Aussicht gehabt hätte.
Von Bedeutung ist deshalb bei dem Gedenkkopf neben der TL von Kotalla nur die Expertise von Aventis. Zu sehr drängt sich der Verdacht auf, dass Neunteufel der Firma Antiques Analytics die Analyse von Aventis unreflektiert übernahm. Sie ist damit lediglich als frühes Indiz seiner fachlichen Inkompetenz zu werten und wurde nur deshalb bei diesem Kopf hier als Ausnahme publiziert. Genügte Aventis eine winzige Bohrung am unteren Rand der Basis, sägte Neunteufel brachial fast einen ganzen Quadratzentimeter aus dem historisch bedeutenden Objekt heraus und fügte ihm damit unnötigen optischen Schaden bei. Diese unqualifizierte Methode der Verstümmelung fügte er mit Eifer allen ihm übergebenen Objekten als Markenzeichen zu.
Dieser außergewöhnliche Kopf war Bestandteil einer historischen Vereinbarung. Er hatte die Archivnummer 433 bei einer gemeinsam gefertigten Liste der National Commission for Museums and Monuments und René David aus dem Jahr 2001. Dieser explizit von dem Anspruch des nationalen Kulturguts befreite Kopf ist somit einer der Vorläufer weitreichender Klärungen. In der Folge wurden eine Reihe von Benin-, Ife- und anderer Kulturen Südnigerias mit offiziellen Ausfuhrpapieren ausgestattet und damit die Definition "Nationales Kulturgut" neu ausgelegt. Dank den Bemühungen von René und Jean David und den juristischen Auseinandersetzungen unserer Galerie ergeben sich so neue Rechtssicherheiten für den Handel und die Sammler. Dass solch ein Kopf im Jahre 2014 wieder im Handel in Lomé angeboten wird ist ein seltener Umstand.
(Peter Herrmann, 2014) |
Sotheby's New York. 1986. Kopf Benin-Kultur. Keine Altersangabe. Keine Angabe zur Provenienz. € 683.904,- |
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Vergleichsobjekte: |
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Abbildungen: |
Staatliche Museen zu Berlin, Ethnologisches Museum |
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Felix von LUSCHAN: Die Altertümer von Benin, Band 1-3, Berlin 1919, Tafel 55. |
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Till Förster: Kunst in Afrika, Köln 1988, S. 101. |
Nationalmuseum Lagos |
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Schätze aus Alt-Nigeria. Ministerium für Kultur, Berlin (Ost) 1985, S. 138. |
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Ekpo EYO, Frank Willett: Kunstschätze aus Alt-Nigeria, Mainz 1983, S. 136. |
Museum für Völkerkunde zu Leipzig, Grassimuseum |
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Kunst aus Benin. Afrikanische Meisterwerke aus der Sammlung Hans Meyer, Grassimuseum, Leipzig 2002, S. 73. |
General Pitt Rivers's Museum at Farnham, Dorset
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Augustus Henry PITT-RIVERS: Antique Works of Art from Benin, London 1900 (Reprint 1971), S. 31. |
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Frank WILLETT: Ife. Metropole afrikanischer Kunst, Bergisch Gladbach 1967, S. 189. |
British Museum, London |
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William B. FAGG: Bildwerke aus Nigeria, München 1963, S. 41. |
Art Loss Register: |
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