Auslöser für die Veranstaltung Longitude 0/20 Ost war ein kleine Veranstaltungsreihe mit 7 Musikern, die in der letztjährigen Ausstellung des Afrika Festival Potsdam in Wochenabstand einen Abend bespielten. Visualisierte Rhythmen thematisierte Musik in der Bildenden Kunst. Das eingebettete Programm Pentatonisches Potsdam war der Versuch, die Grenzen von anspruchsvoll Intellektuell und anspruchsvoll Unterhaltend in Balance zu setzten. Ein Konzept der Ausstellungsgestaltung zu übertragen auf ein musikalisches Programm. Schlüssige thematische Verbindungen und ein adequates künstlerisches Level in beiden künstlerischen Disziplinen.
Die Veranstaltung Longitude 0/20 Ost ist eine künstlerische Reise durch verschiedene Einflusssphären der afrikanischen Musik, ergänzt durch Tanz, Literatur und bildende Kunst. Im Zentrum des Abends stehen Musiker, begleitet von Akteuren, die vorher im Festivalprogramm eigenständige Auftritte hatten.
in der neu ausgebauten Schinkelhalle auf dem Gelände der Schiffbauergasse hat dieses Programm eine attraktive Bühne. Nach sehr motivierender medialen Beachtung im letzten Jahr und der exklusiven baulichen Rahmung wird das Thema Afrika ein neues Publikum anziehen. Eine 12-seitige Sonderbeilage in der Märkischen Allgemeinen, initiiert von unserem Partner Raufeld Medien, wird über 80.000 Mal in Brandenburg ausgeliefert. Als Unterstützer konnten für die Eröffnung Frau Dr. Uschi Eid, MdB, als Schirmherr Landespräsident Matthias Platzek und mit einem Grußwort Herr Bundespräsident Horst Köhler gewonnen werden.
Um uns gänzlich frei zu machen von folkloristischen Anklängen und Assoziationen suchen wir nicht das authentische traditionelle Afrika der allgemeinen Vorstellungswelt, sondern das heutige mit seinen vielen internationalen Schnittstellen. Eine dieser Schnittstellen heißt Deutschland. Schwerpunkt der Veranstaltung und des ganzen Afrika Festivals ist eine Beleuchtung der afrikanischen Szene in Deutschland, afrodeutsche Ausdrucksmittel und Deutsche die eine starke Bindung an Afrika haben.
Afrika ist uns näher als man manchmal denkt. In der selben Zeitzone wie Potsdam und die ihr angrenzende Westeuropas, liegt Nord-, Zentral- und Westafrika. Zwischen dem Nullmeridian und dem ersten östlichen und westlichen Längenmeridian stehen die Menschen zur selben Uhrzeit auf und reisen ohne Jetleg wenn sie sich gegenseitig mit dem Flugzeug besuchen. Gerade einmal 4-5000 km Entfernung trennen uns von dem Teil eines Kontinents, der Vielen wie eine Reise auf eine unbekannte andere Seite des Globus erscheint und den wir hauptsächlich im diesjährigen Festival berücksichtigen. Nur dieses relativ kleine Segment des Erdausschnitts ist der Gegenstand eines musikalischen Programms am Sonntag Abend des Festivals.
Das fließende, etwa dreistündige Programm enthält mehrere Blöcke und einige Passagen freier Improvisation. Die teilnehmenden Musiker tauchen in unterschiedlichen Formationen auf, wobei ein Genuss des Abends sein wird, dass man Vieles in den so entstehenden Konstellationen noch nicht gesehen und gehört hat. Für diejenigen Besucher, die einen begrifflichen Anhaltspunkt suchen, dürfte Dub das Schlüsselwort sein. Stilistische Überblendungen schaffen akustisch und visuell ein neues Erlebnis.
Ein Block innerhalb des Programms bilden vier unterschiedlich bekannte Musiker. And.Ypsilon von den Phantastischen Vier an den Reglern und einem MS 20 Synthesizer, Stefan Charisius spielt die Kora, Okas Sylla die Gongoma und Ralf Goldkind bläst die Posaune. Besucher vom letzten Jahr erinnern sich an Stefan Charisius, der in Begleitung von Martin Schnabel an der elektrischen Geige hohe Beachtung erhielt. (Harmonien bis in den Tod | Das Instrument der schwarzen Könige) Erste Auftritte im experimentierfreudigen Stuttgart zogen Besucher an, die die musikalischen Ausflüge in Richtung Afrika von And.Ypsilon und Ralf Goldkind unbedingt erleben wollten. Die beiden bekannten Künstler verleihen dem Festival durch ihr Kommen eine gute Note. Weniger bekannt in Potsdam und Berlin ist Okas Sylla aus Guinea. Nach dem etwa 30minütigen Konzertteil der Vier könnte sich das ändern.
Souleymane Touré an den Schlaginstrumenten ist die graue Eminenz des Ensembles und, was sich viele bei der hervorragenden künstlerischen Besetzung kaum vorstellen können, der bekannteste von Allen. Manu Dibango, Fela Kuti, Alpha Blondi, Hugh Masekela, Miriam Makeba; die Liste seiner musikalischen Partner ließe sich endlos fortsetzen. Bei Longitude 0/20 Ost wird er an mehreren Punkten zum Einsatz kommen. Seine Erfahrungen, Sprachrhytmus aufzugreifen, machen in zum Beispiel prädestiniert, eine Lesung musikalisch zu rahmen. Wie Papa Souleymane lebt auch Aly Keita in Berlin und wie er stammt er aus der Elfenbeinküste. Mit seinem Balaphon wird er ebenfalls in personellen Variationen spielen. Als Duo werden beide eine Ahnung ihrer sensationellen Virtuosität vermitteln.
Schon mehrfach mit den Beiden aufgetreten ist Sonja Kandels. Mit ihrer ausgebildeten Jazzstimme integriert die in Afrika aufgewachsene Sängerin afrikanische Bestandteile in eigene Kompositionen und wechselt zwischen traditionellen und experimentellen Elementen. In Begleitung von E-Piano und einer Talking Drum reist sie vom Regenwald der Pygmäen entlang der Westafrikanischen Küste und landet mit einem Schlenker über Amerika und dem Ruhrgebiet direkt in Potsdam. Für afroamerikanische Einflüsse sorgt Sadiq Bey aus Detroit und New York, der heute im Exil in Rom und Berlin lebt. Spoken Word, lyrische und politische Texte werden eingebunden in Soundstrecken aus dem I-book. Nur er alleine ist ein Part des Abends. Wann er sonst noch zum Einsatz kommt, bleibt bis zum Schluß ein Joker und Teil eines eingeplanten Nichtgeplanten.
Im Tanzstück 000 beschäftigen sich die Tänzerin Oxana Chi und ihre Partnerin Haouika Zun Porro mit der Befreiung aus gängigen Verhaltensweisen und Normen, die uns schleichend zu ihren Untertanen gemacht haben und im ganz normalen Alltag, sowie in Tanz so manche behindernde Barriere bereit halten. Die Auflösung des schön harmonischen Tanzabends wird zu einem Schauplatz von Befreiungsversuchen, indem Tanz maschinell in Trance, in Echtzeit und in Ekstase gegen einengende Formen und Techniken antritt. Die Transformation der Tänzerinnen wird erlebbar, indem mit jedem Schweißtropfen Schminke und Fassade dahin schwinden. Übrig bleibt die Tänzerinnen mit ihrer Lust an Bewegung.
Am Samstag abend ist die Gruppe ABOK mit einer szenischen Lesung Die Lobpreisung eines Grashüpfers von Femi Osofisan zu sehen. Übersetzung und Regie macht Philippa Ebéné, an der Aufführung beteiligt sind Diana Greenwood, Lusako Karonga und Dorothée Reinoss. Bisher in Berlin in Erscheinung getreten, hat ABOK mit seinen insgesamt 14 Ensemblemitgliedern ein großes Potential, das mit den Auftritten im Festival einem Publikum in anderen Städten empfohlen werden kann. In Longitude 0/20 Ost werden szenische Teile aus dem Stück Der fürgsorgliche Ehemann ins Programm geflochten. Der Autor Ken Saro Wiwa, dem in London übrigens ein großes Denkmal von der in der Galerie vertretenen Künstlerin Sokari Douglas Camp errichtet wird, veröffentlichte diese Kurzgeschichte in dem Erzählband Die Sterne dort unten. Leitung hat Philippa Ebéné und es liest Nisma Cherrat.
Den ganzen Sonntag abend wird die Ausstellung im Kunstraum Potsdam mit Owusu-Ankomah nur für Konzertbesucher geöffnet sein. Vor Beginn, in einer Pause und nach dem Konzert hat der Besucher die Möglichkeit, in den großen, hohen Räumen, die stilvoll nur für Ausstellungen konzipiert sind, die großformatigen Arbeiten des Malers aus Ghana und Bremen zu betrachten. Ein sehr ansprechender Grundriss der alten Kasernenanlage mit viel Wandfläche, ergänzt durch einen lichtdurchfluteten neuen Anbau mit Blick auf die Empore der oberen, für Kabinetthängung geeigneten Etage, ist ein Glücksfall für Potsdam, für das Waschhaus und somit auch für die Veranstaltung Longitude 0/20 Ost. Der Kunstraum ist räumlich mit der Schinkelhalle verbunden.
Es werden 37 Arbeiten ausgestellt sein. 12 großformatige, 15 mittelformatige und 10 kleinformatige Arbeiten in Öl und Acryl auf Leinwand. Abbildungen und Texte der Ausstellung finden Sie auf der Presseseite.
Vorverkauf hat auf der Seite Tickets vom Waschhaus begonnen. Einige Karten können bei Afroport in einer Verlosung gewonnen werden. Mehr Informationen zu beteiligten Künstlern und zum Programm des Festivals können Sie als pdf-Datei herunterladen.
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Peter Herrmann, 3. Juni 2006 |