|  | Die Bilder von Owusu-Ankomah sind unübersehbar. Auf manche wirken sie 
              wie ein Überfall. Weder ihre Größe noch ihre intensive 
              Farbigkeit erlaubt ein Ausweichen. Diese Bilder sind direkt und unmittelbar. 
              Hier macht ein Maler einfach seine Sache, ohne sich um Kunsttrends oder 
              um Strategien zu kümmern, und wie die meisten zeitgenössischen 
              afrikanischen Maler, hält er sich auch nicht lange auf bei der 
              Frage, ob das Malen von Bildern im Video- und Computerzeitalter anachronistisch 
              sei. 
 Der Künstler wurde 1956 kurz vor der Unabhängigkeit im westafrikanischen 
              Ghana als Angehöriger des Akan-Volkes geboren. In der Hauptstadt 
              Accra studierte er an dem 1969 gegründeten College of Art Ghanatta, 
              und dort begann er seine künstlerische Laufbahn. Seit 1986 lebt 
              und arbeitet der Künstler in Deutschland in der Gegend von Bremen. 
              Seine Arbeiten sind seitdem in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen 
              in der ganzen Welt zu sehen. Besonders hervorzuheben seine Teilnahmen 
              an verschiedenen Biennalen wie Dakar, Havanna und 1999 auch Johannesburg.
 
 Owusu Ankomah ist ein Mensch zweier Welten, und das nicht nur aufgrund 
              seiner Biographie. Die Jahre, die er in Deutschland verbrachte, waren 
              für ihn grundlegend: sie sind gekennzeichnet von einer fortwährenden 
              künstlerischen Auseinandersetzung sowohl mit der eigenen afrikanischen 
              Tradition als auch mit den westlichen Techniken und Stilen. Der Reichtum 
              seiner eigenen Kultur ist ihm erstmal in der Fremde so richtig bewußt 
              geworden. Diese Auseinandersetzung prägte die Entwicklung zu einer 
              sehr eigenständigen malerischen Position.
 
 Der Künstler selbst begreift seine Bilder als Einladung zu einer 
              Reise in die Vergangenheit. In ihnen mischen sich verschiedene Zeitebenen: 
              die Felsenmalerei der Steinzeit, die Renaissance mit Einflüssen 
              von Michelangelo, die vorkoloniale afrikanische Kunst, die Graffiti 
              der Neuzeit. In der Tat verkörpert diese Arbeit ein eigenwilliges 
              Treffen der afrikanischen Welt mit dem westlichen Kunstschaffen der 
              Vergangenheit und der Moderne. Der Künstler hat diese verschiedenartigen 
              Traditionen erforscht, sie sich angeeignet, sie umgewandelt und miteinander 
              vereinigt, um daraus einen schmucklosen, kraftvoll-expressiven Stil 
              zu formen.
 
 Solch eine Kunst der wechselseitigen Durchdringung und Vermischung oder, 
              anders ausgedrückt, des Synkretismus kann man in gewisser Weise 
              mit einer der berühmtesten afrikanisch-amerikanischen Schöpfungen 
              vergleichen, mit dem musikalischen Idiom des Jazz, über das der 
              deutsche Schriftsteller Hans Christoph Buch in einem Essay sagt: Jazz 
              ist Grenzüberschreitung und Metamorphose, eine Bastardkunst, die 
              mit einem erfrischenden Mangel an Respekt, Stile und Formen, das musikalische 
              Erbe ganzer Epochen und Kontinente durcheinanderwirbelt.(...) Der Jazz 
              spricht, wie alle Kunst, eine für jeden zugängliche Universalsprache, 
              zu deren Erlernung keine ethnographischen Spezialstudien erfor-derlich 
              sind. Genau solch eine künstlerischer Universalsprache zu sprechen, 
              hat sich auch Owusu Ankomah zum Ziel gesetzt.
 
 Das zentrale Thema seiner Bilder ist der Mensch. Die sorgfältig 
              angelegten und ausgeführten Kompositionen zeigen immer wieder neue 
              und unerwartete Variationen eines wiederkehrenden Bildprinzips: realistisch 
              aufgefaßte vereinzelte Figuren oder Figurengruppen, die sich auf 
              einem großflächigen, abstrakt-ornamentalen Bildhintergrund 
              abzeichnen. Diese meist männlichen, kraftvoll-athletischen Figuren 
              sind nackt dargestellt, im Augenblick der Ruhe, des Kampfes, der Bewegung, 
              des Tanzes oder des religiösen Rituals. Manche tragen die traditionellen 
              sakralen Masken ihres Volkes. Die Figuren sind durchgehend geschmückt 
              mit rituellen Gesichts- und Körperbemalungen, deren Motive meist 
              in den geometrischen Ornamenten im Bildhintergrund wiederaufgenommen 
              werden. Die Gestalten sind ohne die Assistenz von Gegenständen, 
              ohne Andeutung eines sie umgebenden konkreten Schauplatzes dargestellt. 
              Keine Details lenken von dem in dem ornamentalen Muster eingefügten 
              Menschen ab, und keine unterge-ordneten Elemente mildern die hieratische 
              Strenge des einfachen frontalen Bildaufbaus. Eine äußerst 
              reduzierte, überwiegend auf den chromatischen Dreiklang Schwarz 
              Weiß Rot beschränkte Farbauswahl steigert die dramatische 
              Wirkung dieser in der Komposition und in den Formen sehr vereinfachten 
              Bilder.
 
 Über die Identität der dargestellten Figuren geben oft die 
              Bildtitel Aufschluß. Namen wie z.B. Senufo, Wabembe, Baluba, oder 
              Bobo, bezeichnen west- und zentralafrikanische Völker. Diese sind 
              hier bekannt durch ihre künstlerischen Werke, ihre Masken, Figuren 
              oder Objekte, die als Museumstücke nach Europa gebracht wurden. 
              In seinen Bilder betont Owusu Ankomah die ursprüngliche Bedeutung 
              dieser Werke: Die Masken, die die Figuren tragen sind authentische Masken. 
              Sie hatten und haben ihren festen Platz in den unterschiedlichen Riten 
              der Menschen. In ihnen und in den Maskenträgern verkörpern 
              sich Götter und Ahnen, Wald und Tiergeister. So drücken sie 
              die tiefsten menschlichen Gefühle aus. Auch wenn der kulturelle 
              Ursprung der Masken sehr vielfältig ist, sehe ich ihre Ähnlichkeit 
              im Ausdruck der unheimlichen Kraft und Heiligkeit der Natur. Andere 
              Bildtitel spielen auf die afrikanische Diaspora in Amerika an: African 
              American 500 erwähnt den fünf Jahrhunderte währende Leidensweg 
              jenseits des Atlantiks und ermahnt dazu, diese aus Sklavenarbeit, unmenschlicher 
              Unterdrückung und Erniedrigung bestehende Geschichte nicht zu verdrängen. 
              Capoeira hingegen weist auf einen sehr populären afrobrasilianischen 
              Kampfsport hin, der, als Tanz getarnt, früher den revoltierenden 
              Sklaven Bahias als Instrument des Widerstandes diente. Dem nordamerikanischen 
              Breakdance wesensverwandt, verbinden Capoeira und die dazu gehörig 
              Lebensphilosophie so Gegensätzliches wie Tanz und Kampf, Ästhetik 
              und Gewalt, Ritual und Spontaneität, Magie und Realitätssinn, 
              und, dies sind genau die Themenfelder, die Owusu Ankomah in seinen Bildern 
              immer wieder umkreist.
 
 Der Maler verweist auf die vitale Präsenz der afrikanischen Kultur 
              sowohl in der Alten als auch in der Neuen Welt. Er beschwört eine 
              gemeinsame schwarze Identität vermittelt durch afrikanische Kunstformen 
              und die darin eingravierten Ideen- und Gedankenwelt. Diese wurden zum 
              Teil auch nach Amerika verpflanzt und dort sind sie in verwandelter 
              Form neu erblüht. Viele seiner Bilder könnten als den Versuch 
              einer poetischen Rekonstruktion dieser transatlantischen Tradition gesehen 
              werden. Es ist eine gemeinsame Tradition, die auf den afrikanischen 
              Ikonen, Liedern, Sprachen, Kosmogrammen, Farben, Gesten, Tänzen, 
              Rhythmen und Symbolen beruht, die diese verschleppten Menschen als einziges 
              Gut mit in die Fremde nehmen konnten und die dort für sie zu wichtigen 
              Überlebenshilfen wurden. In beiden Welten hat sich gezeigt, wie 
              unverwüstlich die poetisch- spirituelle und künstlerische 
              Ausdruckskraft dieser Elemente ist.
 
 So bilden die künstlerische Vielfalt und Dynamik, aber auch die 
              oft problematische Geschichte und Gegenwart Afrikas und seiner weitgestreuten 
              Diaspora ein wichtiges thematisches Feld für diese eigenwilligen 
              Bilder. In anderen wird jegliche Form der Apartheid, des Rassismus oder 
              der faschistischen Gewalt angeprangert, denn für Owusu Ankomah 
              wie für die zeitgenössische afrikanischen Künstler im 
              Allgemeinen, bilden souveräne künstlerische Ästhetik 
              und politisch-gesellschaftliche Aussage keine unvereinbaren Gegensätze.
 
 Die Figuren der großformatigen Arbeiten sind meist von monumentaler 
              Gestaltform. Der Maler zeigt oft ein Bild des Menschen im klassischen 
              Habitus mit deutlichen Assoziationen an den männlichen Akt der 
              Renaissance, wie z.B. in Trackers, Kampf oder Gothic 
                Piéta. Eine fast unerschöpfliche Kraft und Vitalität 
              scheint in diesen stilisierten, linear umrissenen Figurendarstellungen 
              konzentriert zu sein. Die machtvolle Physis dieser Athleten vermittelt 
              ein Gefühl der Stärke, des fast ungetrübten Vertrauens 
              auf den Körper, das wir von den Figuren Michelangelos her kennen. 
              Die Anlehnung an diesen Renaissancekünstler ist besonders in der 
              Präzision der Zeichnung, dem schwingenden Linienverlauf der bewegten 
              Konturen und der skulpturalen Monumentalität der Figuren spürbar. 
              Auch hier wird der Athlet als Ausdruck einer positiven sowohl körperlichen 
              als auch spirituellen Energie, als eine Art Metapher eines ungebremsten 
              Elan vital gedacht. Diese Darstellung der menschlichen Energieentfaltung, 
              der reinen Lust an der Bewe-gung soll belebend, kraftspendend wirken, 
              und gerade die wiedererstarkte Lebenskraft bei dem Betrachter kann für 
              diesen eine wesentliche Quelle des ästhetischen Vergnügens 
              an diesen Bildern sein.
 
 In den kleinformatigen Bildern Erotika I, Erotika II, Confrontation oder Abwehr finden wir hingegen Anklänge an das frische, witzige Vokabular des zeitgenössischen Graffitistils. Die Zeichnung ist 
              hier von ungestümer, skizzenhafter Knappheit. In diesen Darstellungen 
              von schlicht konturierten Figuren, umge-ben von freien graphischen Kritzeleien, 
              werden die karikaturistischen Vereinfachungen der Cartoon- und Comicbildsprache 
              mit den spontanen Erfindungen der Straße verbunden.
 
 Auffallend ist auch die vitale, fast unmittelbar körperliche Wirkung 
              der Farbe; in zahlreichen Bildern, wie z. B. in Kampf, Wrestlers 
                Two, Wabembe, Tanz oder Gothic Piéta trumpft ein kraftvolles, 
              leuchtendes, sattes Rot auf. Diese sehr laute, fast aggressive Farbe 
              aktiviert bis zum Äußersten den bewegten ornamen-talen Bildhintergrund 
              und drängt nach vorne auf den Betrachter zu. Die klassische Hierarchie 
              zwischen Figur und Hintergrund wir dadurch aufgehoben, und beide Elemente 
              werden bildnerisch gleichrangig. Der Maler verwendet fast überwiegend 
              die sehr stark miteinander kontrastierenden Farben Schwarz, Weiß, 
              Rot, einen effektvollen Dreiklang, der im west- und zentralafrikanischen 
              Farbsymbolismus eine grundlegende Rolle spielt. Man findet ihn immer 
              wieder auf den traditionellen Masken und Figuren, besonders in der Kongozivilisation, 
              aber auch auf den Altären der synkretistischen afro-amerikanischen 
              Kulte der Karibik und Brasiliens. Über die Bedeutung dieser mächtigen 
              Farben für das Akan-Volk in Ghana sagt der Maler: Sie stehen für 
              Leben und Tod, Freude und Trauer, für die Erde selbst. Rot ist 
              immer auch die Farbe von Gewalt. Weiß bedeutet Unschuld und Sieg. 
              Wenn die symbolische Bedeutung dieses triadischen Farbschemas sich auch 
              je nach Volk oder Region leicht unterscheidet, so bleibt Weiß 
              immer ein konstanter, positiver Pol der Harmonie, während Rot und 
              Schwarz viel ambivalentere Bedeutungen zukommen.
 
 Owusu Ankomah bemüht auch die Tradition mit seinen im all-over 
              Prinzip die ganze Bildfläche überzie-henden Mustern. Durch 
              diese wird eine sowohl formale als auch inhaltliche Verbindung zwischen 
              den eher realistisch und plastisch aufgefaßten Figuren und dem 
              linear -abstrakten Bildhintergrund hergestellt. Der Maler verwendet 
              die klassisch afrikanische rhythmisch-strukturierte Ornamentik mit ihren 
              hart gegeneinander abgegrenzten geometrischen Farbflächen, so wie 
              z.B. das Schachbrettartige Muster in Große Senufo, Bobo und Wabembe 
              oder die Rauten- und Dreiecksmuster in Tanz und Dundo. Diese Systeme 
              von Rechtecken, Dreiecken, Rauten und alternierenden Streifen oder von 
              kreisartigen und kurvilinearen Motiven hatten traditionell nicht nur 
              eine ästhetisch-dekorative Funktion. In den Farben und der Unterteilung 
              der Muster wurden den initiierten Informationen, Bedeutungen und Symbole 
              kommuniziert. Afrikanischen Kunst war immer aufs engste mit dem Wissen 
              beziehungsweise dem Geheimwissen über die ewigen Kräfte der 
              Natur, der physischen und spirituellen Welt verbunden und sie war maßgeb-lich 
              an den Prozessen des Lehrens und der Offenbarungen beteiligt. Sowohl 
              praktisches als auch esoterisches Wissen wurde in diese abstrakten Muster 
              einkodiert, diese blieben aber als Text immer schillernd vieldeutig 
              und nie für alle ganz entschlüsselbar. Owusu Ankomah stellt 
              eindeutig die zeitlose, für heutige Begriffe minimalistische Ästhetik 
              dieser geschichtsträchtigen Ornamentik in den Vordergrund und läßt 
              sie einfach monumental im Bildraum schweben.
 
 Wesentlich eindeutiger ist der semantische Inhalt der schwarzen großflächigen 
              dekorative Zeichen und Ideogrammen, die in Trackers, Crossed, Torso 
              Rückwärts Drei und Helping Hands eine absolut bildbe-herrschende 
              Stellung einnehmen. Hier handelt es sich um Adinkra genannte, abstrakte 
              Figuren oder Formen und diese sind in Ghana allgegenwärtig und 
              für die Kunst und Kultur der Akan-Zivilisation bestimmend. Wie 
              die Piktogramme unserer Gegenwart, die die sprachlose, schnelle Kommunikation 
              in den Städten ermöglichen, besitzt auch jedes dieser Adinkra-Symbole 
              eine präzise Bedeutung. Diese Symbole bringen sowohl die für 
              die ghanesische Kultur wesentliche Philosophie der ständigen Kommunikation 
              mit den unsichtbaren Aspekten des Lebens als auch in Sprichwörter 
              gefaßtes Alltagswissen zum Ausdruck. Bei diesen klaren Zeichen 
              ist das Erzählerische, die Inhaltlichkeit genau so wichtig wie 
              das Ornamentale, der Schmuck, wenn sie auch der Maler sehr wirkungsvoll 
              als abstrakte Kompositionselemente ins Bild setzt. In dem großformatigen 
              WerkTrackers sind drei männliche Figuren gerade im Begriff ein 
              Rennen zu starten, sie stehen in einem Konkurrenzverhältnis, jeder 
              will den Wettkampf gewinnen. Die Figuren und der Hintergrund werden 
              beherrscht von den großen sich wiederholenden Adinkra-Symbole, 
              deren Bedeutung die Assoziation an einen positiven sportlichen Wettstreit 
              unterlauft. Die Zeichen mahnen zur Einheit der Menschen, weil es ein 
              unteilbares gemeinsames Schicksal verbunden sind. Sie sollen sich selbst 
              erkennen, sich verändern und sich angstfrei gegenübertreten.
 
 Die sinnliche, lebendige Darstellung skulpturaler Körper verbindet 
              diesen Maler mit dem bekannten Bildhauer Ousmane Sow aus Senegal: beide 
              haben der für uns eher traditionellen realistischen Bildsprache 
              eine neue unerwartete Ausdruckskraft geben können. Mit dem Maler 
              Bakani Ouattara aus der Elfenbeinküste hat Owusu Ankomah die Faszination 
              für abstrakte Zeichen und Motive gemeinsam. Das zeitgenössische 
              afrikanische Kunstschaffen ist bei uns leider noch weitgehend unbekannt 
              aber dieser Kontinent ist künstlerisch im Aufbruch. Gerade diese 
              drei afrikanischen Künstler stehen für eine sehr interessante 
              Synthese von Tradition und Modernität, für eine spezifisch 
              afrikanische postmoderne Sichtweise, die dem Konzept einer transkulturellen 
              Ästhetik neue Impulse geben.
 
 Marie Pittroff , 1994
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