Über eine Künstlerin wie Liz Crossley zu reden, die selbst diplomierte Kunsthistorikerin ist, darüber hinaus als Galeristin, Kritikerin und Lehrerin gearbeitet hat, ist kein leichtes Unterfangen, kommt einer Mutprobe bei.
Nun verweisen die Arbeiten Liz Crossleys wechselseitig aufeinander: jedes neue Werk übernimmt und transformiert Elemente aus einem anderen und gibt Impulse für das nächste. So bilden die verschiedenen Arbeiten Liz Crossleys ein Gesamtkunstwerk in stetigem Fluß, das die disparatesten Elemente zu einem Ganzen vereint.
Der Zugang zu ihren Arbeiten erscheint mir so vielfältig, wie die Medien und Materialien, die sie wählt: Ihre Ausdrucksweisen sind Ölmalerei und Zeichnungen, Fotografie und Lichtbildprojektionen, Installationen und Text-und-Ton-Collagen.(sicher habe ich etwas übersehen!) Dem Wort kommt darin immer wieder eine zentrale Bedeutung zu, sei es bei der Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Kunsttheorien oder mit der "oral history" ihres Herkunftlandes Südafrika.
Liz Crossley hat sich einmal als "ambivalente, weiße Südafrikanerin" bezeichnet. Dieses doppelte Bewußtsein, das sie in ihrer ersten Lebenshälfte als Weiße in einer von Puritanismus und Rassendiskriminierung geprägten, mehrheitlich schwarzen Gesellschaft entwickelt hat, schärfte ihren Blick auch für die hiesigen Realitäten. Indem sie die kulturellen Praktiken aus dem südlichen Afrika zu den europäischen in Beziehung setzt, sie mischt und neu schichtet, nimmt sie dem uns Fremden das Exotische.
Mit ihrer Ton-Collage aus keltischen Liedern und Gesängen des San-Volkes, Nachfahren der ersten Kapbewohner, überführt sie Beispiele ritueller Praxis aus unterschiedlichen Kulturräumen in eine aktuell ästhetische und stellt darüber ihre Gleichwertigkeit her.
Liz Crossley, seit 15 Jahren in Berlin ansässig, ist eine Grenzgängerin und Vermittlerin der Weltbilder des Südens und des Nordens, die sie beständig hinterfragt und neu zusammmensetzt. Damit führt sie uns auch vor, daß Identität in unserer transnationalen und global vernetzten Welt ständig konstruiert werden muß.
Ein konstanter Arbeitsansatz Liz Crossleys, der zum heutigen Ausstellungsort - dem Umweltbundesamt - paßt, ist daß die Künstlerin Natur stets in ihrer kulturhistorischen Dimension denkt:
Natur - wie die kargen Landschaften ihrer Heimatprovinz Northern Cape - gilt ihr nicht einfach als "natürlich", als unberührt oder rein. Natur derart zu idealisieren, wie wir es in unserem ewig grünen und - ein Blick durch das Fenster genügt - mit viel Regen gesegneten Mitteleuropa bisweilen tun, wäre ihr fremd. Zu gut kennt sie die entbehrungsreiche Geschichte, die harten Lebens- und Überlebensbedingungen der ersten Kapbewohner, der San und Xhosa, die von ihren eigenen Vorfahren, den britischen Missionaren und Siedlern geknechtet oder vertrieben wurden. Dieser karge Landstrich bietet kein Refugium für die romantische Seele. Für derartige Sentimentalitäten ist im Werk Liz Crossleys kein Platz.
Bei Liz Crossley ist Natur mehrschichtig überzogen und überlagert mit den Karten menschlicher Eroberungszüge und Kolonisierung, kriegerischer Aneignung und systematischer Vertreibung, Kultivierung und Zerstörung menschlicher Lebensräume stehen bei ihr in einem engen, dialektischen Verhältnis. Hier sind die Orte und ihre Geschichte untrennbar mit ihrer Umwelt verbunden.
Immer wieder setzt Liz Crossley auch die von Diamantenausbeutung gezeichnete Landschaft um ihre Geburtsstadt Kimberley ins Bild. So zuletzt bei Postkartenaktion im Haus der Kulturen der Welt, bei der sie die Kommentare von Ausstellungsbesuchern einholte, die heute hier nachzulesen sind.
Liz Crossley verwendete dafür eine Kolonialfotografie, die eine aus Getreidesäcken und Pappkartons gebaute Behausung der Xhosa zeigt, vor der neun in Lumpen gekleidete Kinder sitzen (location nannten die Briten diese Armutsquartiere stilvoll!). "Eine typische Kafferhütte" lautet die verächtliche Beschreibung auf der Postkarte, die damals übrigens in Deutschland gedruckt wurde und von den weißen Kapbewohnern als Zeichen ihrer zivilisatorischen Überlegenheit in alle Welt verschickt wurde.
"Hungrig, aber glücklich" notierte eine Hand darunter, und wir wissen nicht einmal, ob diese Bemerkung ernst oder sarkastisch gemeint war. Denn schließlich vertrat auch das Apartheidregime ernsthaft die Meinung, daß die schwarzen Bevölkerungen ihre kulturelle Identität nur in den Rundhütten der sogenannten homelands oder der Ärmlichkeit der townships bewahren könnten.
Mit den vielschichtigen Bedeutungen dieser Aufnahmen zeigt Liz Crossley, wie Landschaft Geschichten schafft, Geschichte schreibt: Land-schafft-Geschichten nennt sie diese Reihe von Arbeiten, der auch einige hier gezeigte angehören.
Mit dem sicheren Gespür einer Archeologin führt sie uns bei ihrer Spurensuche und Spurensicherung bis in die Vorgeschichte ihrer Heimat zurück, z.B zu den heiligen Stätten des San-Volkes, die in der Nähe ihres Geburtsortes Kimberly gefunden wurden. Hier projeziert die Künstlerin in Form einer "Sandwichtechnik" Aufnahmen steinzeitlicher Felseninschriften mit ihren eigenen Übermalungen des Himmels; Damit stellt sie diese bis heute nicht entschlüsselte Ikonografie der ersten Kapbewohner in einen neuen Kontext: sie überblendet die offizielle "weiße" Geschichtsschreibung, die ihre Eroberungszüge als göttlichen Auftrag rechtfertigte, mit den erdgebundenen Geschichten der Ureinwohner.
Die blutroten und erdfarbenen Schrifttafeln davor markieren Stationen des Untergangs einer Jahrtausende alten Kultur, die von den ersten europäischen Einwanderern in wenigen Jahren ausgelöscht wurde.
Liz Crossleys Arbeitsweise könnte man als reziproke Anthropologie verstehen, welche die Polyphonie gleichwertiger künstlerischer Praktiken und Ausdrucksweisen beschreibt, kommen sie nun aus Afrika oder Europa, dem Zentrum oder der sogenannten Peripherie. Damit entwirft Liz Crossley neue Landkarten indigener und urbaner Landschaften, die permanent miteinander kommunizieren:
Der in Chicago lehrende Kulturphilosoph Homi K. Bhabha schreibt, wir befänden uns heute in einem Zustand permanenter kultureller Übertragung.
Zitat: Wir leben zunehmend zwischen den kulturellen Unterschieden, und wir beziehen unsere ästhetischen und ethischen Werte aus den Grenzbereichen zwischen Sprachen, Territorien und Gemeinschaften, die nicht mehr einer kulturellen oder nationalen Tradition angehören...Erst wenn wir den anderen, mit uns zusammenlebenden und von uns verschiedenen Kulturen das Recht zubilligen, ihre Geschichten zu erzählen, kann der Dialog der Kulturen der Welt beginnen.
Liz Crossleys Werk ist selbst ein Motor dieser kulturellen Transmission, die der Hierarchisierung der Kulturen entgegenwirkt. Ihre Arbeiten sind Erzählungen der Anderen und damit über uns selbst.
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