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Afrikapost 3/ 2007
 
Diskussion über afrikanische Kunst und ihre Verlagerung in die Kunstgeschichte, publiziert in der Afrikapost 3/ 2007 und 4/ 2007
 
Christian Hanussek: Ohne Titel


Christian Hanussek: aktuelle afrikanische Kunstszenen (Aug. 2007)

Seit den 1990er Jahren ist in vielen Ländern Afrikas eine neue Künstlergeneration hervorgetreten, die sich von den Formen dessen, was sich als "Afrikanische Kunst" etabliert hatte, distanziert. Ihre Kunst ist für sie nicht mehr Ausdruck einer idealisierten afrikanischen Identität, sondern sie verstehen sich im Kontext der aktuellen, internationalen Kunstentwicklungen; viele von ihnen haben im Ausland studiert und sind durch internationale Kontakte vernetzt.

Nach Erlangung der Unabhängigkeit förderten einige afrikanische Länder ganz besonders ihre nationale Kunst und Kultur, doch heute sind die meisten der in dieser Periode gegründeten Institutionen vernachlässigt oder ganz geschlossen und viele Künstler wollen sich nicht mehr für die Repräsentation ihrer Staaten vereinnahmen lassen. Einige Künstler haben die Möglichkeit, den Kontinent zu verlassen und sich in den internationalen Metropolen wie Paris, London, Brüssel oder Berlin niederzulassen, wo sie bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen und vor allem einen direkten Zugang zur internationalen Kunstszene und zum Kunstmarkt finden können. Für diejenigen, die in Afrika bleiben, oder nach dem Studium dorthin zurückkehren, ist dies oft eine bewusste Entscheidung und damit verbunden, vor Ort eigene, unabhängige Plattformen zur Produktion und Präsentation ihrer Kunst   zu schaffen: als Künstlergruppen, durch selbst organisierte Festivals und mit der Gründung von Kunstzeitschriften.

Mein Projekt "Gleichzeitig in Afrika..." präsentierte 2005/2006 im Rahmen des Afrikaschwerpunktes der Bundeszentrale für politische Bildung eine Auswahl von 15 unabhängigen Künstlergruppen, Kunstinitiativen und Kunstzeitschriften aus Afrika in Nürnberg, Bayreuth, Potsdam und Berlin. Aus Südafrika stellte ich zwei Zeitschriften vor: das Online-Magazin Arttrob und die nun in ihrer 11. Nummer erscheinende "Chimurenga"; aus Cotonou und Lomé die von Künstlern organisierten Festivals "Éwole" und "Boulev'art"; die Künstlergruppen "Cercle Kapsiki" aus Douala und "Huit Facettes" aus Dakar sowie das Fotografenkollektiv DOF (depth of field) aus Lagos; Kunstprojekte wie die "Nouvelle Libertré" in Douala, "in a furnished flat in cairo" (Kairo) und "Memorias, Intimas, Marcas" in Angola. Diese Projekte geben durch die Unterschiedlichkeit der künstlerischen Ansätze einen Eindruck von der kulturellen Vielfalt Afrikas, aber gleichzeitig zieht sich durch die Interviews und Diskussionen, die ich mit den Protagonisten dieser Initiativen geführt habe, als roter Faden das ihnen gemeinsame Bedürfnis, einen eigenen, lokalen Raum zu schaffen, in dem sich Kunst entfalten kann und in dem auch ein sozialer und politischer Dissens möglich ist.

In Ägypten geraten die Künstler in offenen Konflikt mit dem Staat, wenn sie im öffentlichen Raum arbeiten, der repressiv kontrolliert wird; in Südafrika ist es dagegen schwierig, eine Position jenseits des ideologischen Konsens der "Rainbownation" zu besetzen. In Ländern wie Kamerun, Benin oder Togo sind die Eigeninitiativen die einzigen künstlerischen Ereignisse, da sich die Staaten weitgehend aus der kulturellen Verantwortung zurückgezogen haben. Den Fotografen aus Lagos geht es darum, das Bild der Stadt von innen heraus zu zeichnen und der Dominanz medialer Bilder, die stets von außen auf Afrika schauen, etwas entgegenzusetzen. Einen vergleichbaren Ansatz verfolgen die Künstlergruppen "Cercle Kapsiki" und "Huit Facettes", die ihre Arbeit als Ermächtigung gegen kulturelle Hegemonie verstehen, gegen eine ökonomische, politische und kulturelle Fremdsteuerung, die Afrika ständig von außen nahe legt, was es zu tun, wie es zu sein oder zu werden habe.

Ntone Ejdabe, Herausgeber der "Chimurenga" fasste das, worum es bei der Gründung seiner Zeitschrift ging, beim internationalen Symposium "Meanwhile in Afrika..." in der Universität der Künste Berlin im Januar 2006 so zusammen: "Für mich als Herausgeber war es die wichtigste Aufgabe, einen Raum zu schaffen, wo man für sich und von sich aus sprechen konnte." ("...a space where one could speak for themselves and from themselves.")

Bei meinen Recherchen zum oben genannten Projekt fiel mir auf, dass viele der afrikanischen Kunstinitiativen international sehr gut vernetzt sind, dass Deutschland dabei aber kaum eine Rolle spielt. Dies liegt zum einen daran, dass Länder wie Frankreich noch aus der kolonialen Tradition heraus spezielle Institutionen zur Förderung kultureller Zusammenarbeit mit Afrika haben. Doch auch mit Ländern ohne eine vergleichbare Kolonialgeschichte in Afrika wie der Schweiz oder den Niederlanden, gibt es einen regen Austausch von Künstlern und Kunstprojekten, da die dortigen Kulturstiftungen diese gezielt und flexibel fördern.

In den afrikanischen Ländern, in denen Goethe Institute Niederlassungen haben, sind Kooperationen mit lokalen Kunstinitiativen möglich, sofern sich die jeweiligen Institutsleiter entsprechend engagieren, wie zurzeit beispielsweise in Ägypten. Darüber hinaus sind die Möglichkeiten deutscher Förderung internationaler Kunst-Kooperationen bereits formal sehr eingeschränkt und eher auf institutionelle Kooperationen ausgerichtet. Dabei überwiegen noch immer ethnologisch gedachte Übersichtsausstellungen zu einzelnen Ländern oder Themen wie "Kunst aus der islamischen Welt" oder zum gesamten Kontinent, die Künstler in bestimmte Schubladen stecken. Ein weiteres Format sind Workshopprojekte in der Tradition europäischer Kunstpädagogen im Afrika der 50er Jahre, bei denen afrikanische Künstler im Rahmen bestimmter Vorgaben arbeiten sollen. All dies geht an den Interessen selbständig arbeitender Kunstinitiativen vorbei und schafft keinerlei Möglichkeiten für Kooperationen mit der aktuellen deutschen Kunstszene.

Um die Voraussetzungen für ein deutsches Engagement bei unabhängigen Kunstinitiativen (hier hätte man die in der politischen Rhetorik so oft beschworene "Zivilgesellschaft") zu schaffen, wären andere Mechanismen der Förderung nötig. Dazu wurden in letzter Zeit viele Vorschläge bei politischen Hearings zu "auswärtiger Kulturpolitik" oder bei der Fachtagung des Goethe Instituts und der GTZ zu "Kultur und Entwicklung" gemacht und es bleibt zu hoffen, dass sie auch politisch umgesetzt werden können. Damit unabhängige Kunst-Kooperationsprojekte mit Afrika eine Chance hätten und nicht weiter an der einen oder anderen Ausschlussklausel der Richtlinien auflaufen, wäre es vor allem notwendig, auch in Deutschland einen Ansprechpartner zu bekommen, mit dem Projektvorschläge kompetent und flexibel diskutiert werden können und der Realisationen unterstützen kann.

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