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Sehr geehrter Herr Botschafter Veltin,
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Lomé ist eine Metropole, die innerhalb von 50 Jahren mit seiner Bevölkerung um das Zehnfache angewachsen ist und heute zwischen 1,5 und 2 Millionen Einwohner hat. Dieser Zuwachs verlief Stadtplanerisch wenig koordiniert ab und beschränkte sich weitgehend auf Straßen als Versorgungsachsen. Stadtplanung im mitteleuropäischen Vorbild konnte man nicht realisieren, weil das Wachstum im Prinzip auf individuellen Finanzierungen beruht, die Stadtverwaltung aber wenig Budget bewirtschaftet, die eine humane Raumgestaltung gestattet. Dies bedeutet, dass im Stadtbild fast keine Parks, sehr wenig Kunst im öffentlichen Raum und kaum öffentlich nutzbare Veranstaltungsräume vorhanden sind. Hier möchte ich einen Bedarf decken.
Architektur kann man in Togo als phantasievoll bezeichnen. Geht man jedoch von Entwurf als Ergebnis einer Funktionsanalyse aus, kann man kaum mehr von Architektur in ergonomischer Hinsicht reden. Handwerk befindet sich im Gesamten auf einem problematisch niedrigen Niveau. Eine obere Mittelschicht und eine kleine Schicht reicher Menschen, meist mit guten Verbindungen nach Europa, können eine dünne Struktur von zurückgekehrten Handwerkern nutzen. Bildende Kunst, Musik und Theater sind fast nicht vorhanden und wenn, auf extrem unprofessionellen Niveau. Erfolg als Künstler in finanzieller Hinsicht kann nur haben, wer bereit ist, Togo zu verlassen, weil es weder Konsumenten noch Käufer von Kunst in ausreichendem Maße gibt. Mangels zu verteilenden Steuern, gibt es auch keine staatlichen Fördermittel. Gefördert wird Kunst fast ausschließlich von Kulturinstitutionen reicher Industrienationen. Bis etwa zur Jahrtausendwende hatte Togo noch ein wenig Tourismus und war bis dahin ein westafrikanisches Zentrum für den Handel mit traditioneller Kunst und kunsthandwerklichen Produkten.
Stätten der Gemeinsamkeit sind fast ausschließlich Kirchen und Moscheen, die als Bildungsträger jedoch kaum Relevanz haben. Es besteht parallel zu diesen sehr einseitigen Angeboten ein hoher Bedarf an Unterhaltung und freien, von Glaubensfragen unabhängigen Bildungseinrichtungen. Anders als in Deutschland, kann man kaum auf innerstaatliche Förderung hoffen, weil das Steuersystem die Finanzgenerierung nicht zulässt. Aktivitäten auf kultureller Ebene müssen also stärker kommerziell ausgerichtet sein, um sich selbst zu erhalten und, wie am Beispiel von „Doual’Art“ in Kamerun oder „Atelier Sahm“, einem Kulturzentrum in Brazzaville, mit finanziellen Unterstützungen reicher Geberländer planen.
Aufgrund der geografischen Lage eines sich beständig urbanisierenden Küstenstreifens zwischen Lagos und Abidjan und seiner für afrikanischen Verhältnisse günstigen Angebote von Gastronomie und Hotellerie bietet Lomé günstiges Wachstumspotenzial für eine immer größer werdende Kreativwirtschaft. Als Stichworte einige Bereiche, denen Kunst zuarbeiten kann. Lomé kann günstige Studiostandorte für die nigerianische Filmindustrie aufbauen. Bühnenbild, Catering, Ausstattung und technische Hilfen sind hier zu nennen. Lome ist ein etabliertes Zentrum des westafrikanischen Textilhandels und kann im Bereich Mode und Design noch kräftig zulegen. Durch die Eröffnung des neuen Kulturzentrums im alten deutschen Gouverneurspalast ist eine Zugnummer entstanden, an die sich eine freie Kunstszene andocken kann und einen kleinen Markt an Kulturtourismus aus Europa und afrikanischen Anreinerländer bedienen kann. Darüber hinaus können kulturelle Projekte so mit Tourismus gekoppelt werden, dass Togo wieder an seine frühere touristische Struktur andocken kann. Sollten die Anstrengungen fruchten, klein- und mittelständische Firmen in Togo anzusiedeln, werden verstärkt Angebote von Innenarchitektur gefragt sein.
Welche neue Rolle kann Deutschland in Togo spielen?
Seit den 1970ern verlor Deutschland zunehmend an Einfluss in Togo und kappte nach missglückter politischer Einflussnahme im Jahre 2005 fast alle geschäftlichen Verbindungen, setzte politische Kooperationen fast auf Null und minimierte seine Kulturarbeit auf eine winzige Sparflamme. Wie überall in Afrika reduzierte Deutschland seine Aktivitäten bezüglich Förderung und Sicherung wirtschaftlicher Unternehmungen und befriedigte sich selbst mit sinnlosen Hilfsmaßnahmen, die, bei genauer Betrachtung, niemand in Anspruch nehmen wollte und erkennt erst in den letzten Jahren langsam, dass ein Exportland auch einen Exportmarkt benötigt. Mit Blick auf schnelle Gewinne investierte Deutschland in den boomenden Gegenden Asiens und Amerikas und überließ, so der oft gehörte O-Ton, Afrika den Engländern und Franzosen. Die Rolle Chinas und Koreas unterschätzte man Jahrzehnte lang und stellte irgendwann mit Schrecken fest, dass der Handel mit seinen Häfen fest und absehbar unwiederbringlich in chinesischer Hand ist. Um Einfluss in Afrika zu gewinnen, setzt Deutschland momentan auf „Terrorismusbekämpfung“ und „Sicherheit“. Sprich: Militär und Polizei. Der Nebeneffekt dieser zweifelhaften Einmischungen und verdeckten Subventionierung der Rüstungsindustrie ist Vertrauensverlust mit dem der Partner Frankreich sehr massiv zu kämpfen hat und dieses Dilemma momentan versucht, in der Wahrnehmung Afrikas auf Deutschland respektive „Europa“ abzuwälzen.
Der für diese Einmischungen „gegen Terrorismus“ gewonnene US-Präsident Obama und seine Aussenministerin Clinton waren zu Beginn der interventionistischen Politik noch treue Partner von Frankreich und Deutschland. Unter dem neuen Präsident Trump endete die Strategie, weil er Einfluss durch Wirtschaft, nicht durch Militär haben wollte und Afrika kaum eine Rolle in den Plänen Nordamerikas spielt. Vermutlich der einzige von Bedeutung in der deutschen Politk, der damalige Herr Bundespräsident Köhler, sah diese unheilvolle und nur Verlust bringende Entwicklung voraus und es darf mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass diese irrige Strategie einer seiner Rücktrittsgründe war.
Ich erlaube mir an dieser Stelle einen explizit spekulativen Gedanken zu setzen. Mit seiner Konzentration auf kulturelle Kooperation stieß Herr Köhler bei Frau Merkel auf wenig Gegenliebe. Einer ihrer engsten Berater war Herr Kauder, der als ausgewiesener Lobbyist der Rüstungsindustrie von jener finanziert wurde. Herr Köhler setzte auf Kunst und gleichzeitige Förderung von Makrofinanzierungen für Kleinbetriebe, beides Strategien die kaum gegensätzlicher zu den Anliegen des militärischen Dreierbündnisses sein konnten.
Nach Gesprächen konnte ich Herr Köhler davon überzeugen, dass eine gezielte Förderung von künstlerischen Initiativen einen extremen Effekt in den Bereichen Kunst, Design, Werbung und Architektur auslösen könne. Daraufhin setzte Herr Köhler ein Budget von 20 Millionen Euro durch, die entsprechend ausgeschrieben werden sollten. Künstler und die gesamte Kreativbranche sind Teilnehmer einer freien Marktwirtschaft und für diese sollte die Mittelvergabe bestimmt sein. In einer beispiellosen Intrige wurde schon im Bundespräsidialamt diese 20 Millionen in andere Kanäle verteilt. Zirka 19,5 Millionen wurden in Institutionen aufgeteilt. Die drei wichtigsten waren Goethe-Institut, Institut für Auslandsbeziehungen und Auswärtiges Amt. Etwa eine halbe Million ging an „frei“ scheinende Gruppen, die aber auffälligerweise alle der Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung einte und nach meiner Einschätzung meist getarnte Subventionserschleicher waren, die Kunst nur in den Antragstellungen erwähnten und im wesentlichen Alibiseilschaften der Institutionen waren.
Dieses Beispiel soll exemplarisch eine Summe beschreiben um die sich kulturelles Engagement im obersten Bereich dreht. Es war dieser Umgang, den Herr Köhler nicht schätzte und ein weiterer Grund seines Rücktritts war. Seitdem gab es bezogen auf Afrika keine mir bekannte relevante Unterstützung einer freien Kunstszene im Sinne von Projektförderungen mehr.
Wie schon mehrfach erwähnt und ursprünglich von der Militärallianz geplant, sollte Lomé zu einem Logistikzentrum mit Unterstützung von Africom werden, bei der der alte Gouverneurspalast eine representative Rolle gespielt hätte. Als sich diese Allianz zerschlug, verzichtete Deutschland und seine Diplomatie auf jegliche weitere Einflussnahme und überließ Togo wieder den Franzosen alleine. Sehr zum Missfallen einiger Togoer. Wie ich früher schon in Kamerun feststellen konnte, versuchen viele afrikanische Länder, der französischen Umklammerung durch wirtschaftliche Kooperationen zu entkommen. Aus alter Freundschaft spielt dabei Deutschland für Togo und Kamerun eine wichtige Rolle. Auch wenn Viele in Deutschland die Formulierung „in alter Freundschaft“ als Zynismus empfinden ist es dennoch eine nostalgische Triebfeder.
Nachdem also Afrika zunächst wirtschaftlich vernachlässigt, dann extrembehilft wurde und eine militärische Intervention gegenwärtig am scheitern ist, stellt sich die Frage: Was nun? Eine Möglichkeit wäre, sich aus allem zurückzuziehen. Die Pläne wie „Marshall-Plan für Afrika“ oder „Compact with Africa“ sind ebenfalls zum scheitern verurteilt, weil konzeptionslos paternalistisch aus Worthülsen zusammengenagelt.
Ich meine, mit der Kreativwirtschaft bekommt Deutschland eine Möglichkeit, sinnvoll Verbindungen zu halten. Maschinenbau bleibt nur ein winziges Segment, weil Länder wie Brasilien oder China den afrikanischen Bedarf effektiver bedienen. Bei Automobilen wird es noch einige Jahre einen Gebrauchtmarkt geben, der aber beständig kleiner wird, weil die Neu-Angebote aus Asien attraktiver sind. Chemie und Pharmazie wird gerade von Indien übernommen. Die IT-Branche teilt sich die USA, China und Indien. Es bleibt nicht mehr viel um sich einzubringen. Umso erstaunlicher, dass eine Kreativbranche, die bei einer weit größeren Zahl von Beschäftigten in Deutschland einen größeren Umsatz generiert als Chemie und mit ihrer freiberuflichen, kleinfirmen- und genossenschaftlicher Struktur der afrikanischen Mentalität näher kommt als Industrieproduktion, niemals in Veröffentlichungen auch nur erwähnt werden. Die Worte „Kunst“, „Kultur“ oder „Kreativwirtschaft“ findet man nicht in den Beglückungsstrategien der deutschen Politik.
Dass man sich nicht auf ganz Afrika im Größenwahn verliert sondern sich zunächst auf zwei, drei oder höchsten fünf Länder konzentriert und dort Verträge so aushandelt, dass deutsche Firmen Rechtsschutz genießen können, scheint sinnvoll. Nicht Geld als staatliche Subvention ist das wichtigste, sondern ein gewisser Schutz bei Planungen und Rückendeckung von der Diplomatie um nicht Opfer von Willkür zu werden. Auch was „Willkür“ anbelangt, sehe ich übrigens eine permanente Fehleinschätzung. Es wird immerzu von „afrikanischer“ Misswirtschaft und Korruption als Hemmfaktor geredet. Weitaus größer scheint mir als Hemmfaktor Frankreich, England und etwas weniger China und andere asiatische Länder.
Mit der Konzentration auf unternehmerische Fragen und Lösungen kann sich Deutschland einbringen. Architektur, Handwerk, Kunst. Werbung, Film, Design. Stadtplanung und, um der Urbanisierung etwas entgegenzusetzen, Landplanung. Kreativlandplanung. Verdient wird dabei nicht mit Großkrediten, Hermesversicherungen sondern mit Humankapital.
Der Bedarf in Togo ist vorhanden. Der Wunsch, mit Deutschland enger zu kooperieren auch.
Seit dem letzten Gipfel in Berlin hat sich in der deutschen Togo-Politik etwas geändert, das grob in meine Richtung zu gehen scheint und bereits ein nervöses Hin- und Herreisen von Togoern ausgelöst hat. Darum auch dieses Schreiben zum jetzigen Zeitpunkt. |