Rede anlässlich der Ausstellung 200 Jahre Metallkunst aus Afrika. 5.5.2000
Verfasst und vorgetragen am 5.5.2000 von Peter Herrmann

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich möchte Sie ganz herzlich zu unserer ersten thematischen Ausstellung in den neuen Räumen der Stuttgarter Gerberstraße begrüßen.

Nachdem ich bei meiner letzten kurzen Einführung vor zwei Wochen in freier Rede gesprochen hatte und dabei die Hälfte vergaß, komme ich diesmal gleich im Vorfeld zu einem wichtigen Punkt. Nämlich ein paar Danksagungen.

Am 15. April wurde die Bedeutung der Galerie von Dr. Uschi Eid und Senator Echeruo, dem Botschafter Nigerias, auf meine Person fokusiert. Heute möchte ich hervorheben, dass auch eine ganze Reihe Mitstreiter massgeblich am bisherigen Erfolg der Galerie beteiligt waren. Auch wenn die Galerie bis heute rechtlich eine Ein-Personen-Gesellschaft war, so sind doch viele Privatpersonen und Firmen am Gelingen der Arbeit beteiligt. Hier sind natürlich zuerst die Künstler zu nennen, die in schwierigen Situationen immer motivierend zur Stelle waren.

...( diverse Danksagungen ).............doch nun zur Ausstellung selbst.

Sie sehen Gelbgussarbeiten, hergestellt im Wachsausschmelzverfahren und geschmiedete Eisenarbeiten aus West- und Zentralafrika. Als eine in diesem Umfang noch nie gezeigte Übersichtsausstellung konzentrieren wir uns auf eine kunstgeschichtliche Linie der höfischen Kunst Kameruns von 1800 bis heute.

Ein paar sehr interessante Gedenkköpfe der späten Benin-Kultur, eine wunderschöne Eisenarbeit der Dogon, bronzene Goldgewichte aus Ghana und einzelne andere Objekte ergänzen das Thema.

Der Besucher, der unbefangen diese Arbeiten betrachtet, würdigt automatisch die hohe handwerkliche Leistung die an diesen Objekten sofort und klar erfahrbar ist. Er sieht Objekte, von denen manche glauben, dass asiatische Einflüsse zu sehen sind. Andere rätseln an den allegorischen Komponenten, wieder andere an der technischen Umsetzung.

Ich habe mir entgegen sonstigen Gewohnheiten diesmal die Mühe gemacht, an einigen der wichtigsten Werke dieser Ausstellung sehr ausführliche Texte anzubringen. Diese Texte beschreiben die Objekte selbst. Sie beschreiben das Alter, Herkunft und auch Vermutungen, denn vieles liegt noch im Dunkel und ruft nach wissenschaftlicher Bearbeitung. Vieles ist kontrovers in dieser Ausstellung und ich glaube, ich habe noch keine gemacht, bei der in der Beurteilung der einzelnen Arbeiten so unterschiedliche Standpunkte aufeinanderprallen und der Erklärungsbedarf so hoch ist wie heute.

Weil die mühevolle Arbeit der Texterstellung geleistet und gedruckt ist möchte ich in dieser Rede nicht so sehr auf die einzelnen Exponate eingehen. Das kann ich nachher bei Einzelgesprächen wenn über die Texte hinaus noch Fragen auftauchen.

Was in diesen Texten nicht auftaucht sind Hintergründe, die auch etwas mit Stuttgart zu tun haben.

Als junger grüner Sammler und ofenfrischer Galerist hatte ich 1989 in einem Katalog einige kunstgeschichtliche Thesen angedeutet. Vorsichtig formuliert, relativiert aber mit viel Freude, bei meiner Rückkehr von Afrika einige grosse Schätze mitgebracht zu haben. Schätze aus der Sammlung des früheren Parlamentspräsidenten von Kamerun und Begründer der Nigerian and Cameroonian Antiquity Commission, Solomon Tandeng Muna, der mir die Herkunft vieler dieser Objekte die Sie hier heute sehen erläuterte. Mehrfach ist sein Sohn schon nach Deutschland gereist und betonte in vielen Reden, dass unsere Gemeinsamkeit eine Betrachtung aus afrikanischer Sicht sei, bemängelte, dass schwarze Sammlungen keine Provenienz darstellten und hoffte, dass diese Objekte nicht nur eine Würdigung im globalen Wertesystem bekommen würden, sondern auch einige geschichtliche Betrachtungen korrigieren könnten.

Jüngst hat das Institut für Kunstgeschichte eine gross angelegte Studie mit dem Titel Kunststadt Stuttgart veröffentlicht. Diese höchst interessante Untersuchung kritisiert im Resümee eine eklatant missliche Situation im Bereich der Zusammenarbeit von Institutionen und privaten Initiatoren. Heute werde ich wie in meinem Email schon angekündigt, im speziellen die Rolle des Stuttgarter Lindenmuseums für Völkerkunde beleuchten.

Einige meiner Freunde hätten gerne gehabt, dass ich etwas spitziger formuliere aber aus diplomatischen Gründen habe ich etwas gebügelt. Dennoch bleibt das Thema heiß.

Neben ihrem eigentlichen Wert stehen stehen viele der heute zu sehenden Objekte nämlich exemplarisch für jenen Misstand, den das Institut für Kunstgeschichte bemängelt. Ein Zustand, den die Kulturbürgermeisterin von Stuttgart, Frau Dr. Magdowski als Vertreterin Ihrer eigenen Zunft ebenso kritisiert, wie viele andere, deren Engagement über eigene Interessen hinausgeht und die in der Lage sind, in übergeordneten Strategien zu denken. Ich hole aus.

Der Leiter der Abteilung Afrika im Lindenmuseum, Herr Dr. Hermann Forkl, beschloss 1991 aus mir unbekannten Gründen, diese Metallarbeiten aus Kamerun als Machwerke zu betrachten, die es zu ignorieren galt und von denen er ableitend auch den Kontakt zu mir als einen Vertreter des ortsansässigen Fachhandels abbrach. Herr Forkl hat sich in elf Jahren meiner Galerietätigkeit nie die Mühe gemacht, meine Galerie zu besuchen und diese Objekte zu begutachten.

Sie sollten hier ergänzend noch alle wissen, dass das Lindenmuseum auf der Behandlung von Kamerun einen geographischen Schwerpunkt hat. Nicht genug, im Bereich von Stammeskunst kein Interesse zu zeigen. Nein, eine vermutlich persönlich begründete Aversion gegen den Handel und Sammler allgemein führt Herr Dr. Forkl soweit, auch diese einzigartigen Beispiele seltener afrikanischer höfischer Kunst zu ignorieren. Aber auch damit nicht genug, er belässt es nicht dabei untätig zu sein, sondern er trägt diese Ignoranz, mit Heimvorteil im eigenen Hause, noch hinein in die Leitung des Museums. Dort ist man prophylaktisch solidarisch der Meinung, die ablehnende Haltung des Herrn Dr. Forkl wäre begründet. Auch von diesen angesprochenen Herren lässt sich sicherheitshalber niemand im kulturellen Getriebe sehen.

Wir hier draussen in der gemeinen Welt kennen nun diese Meinung aber gar nicht.

An diesem Punkt verfügt also Herr Dr. Forkl nicht nur über eine Ahnungslosigkeit bezogen auf Objekte, die er noch nie in Augenschein genommen hat, sondern er ist auch Ahnungslos über den Schaden, den er auf vielen Ebenen anrichtet. Und mit ihm die Leitung des Hauses, die in einer geführten Korrespondenz nichts anderes tut als den Angestellten des Hauses als einer der Ihren zu schützen, vermutlich in der Angst, mit hinein in eine Verantwortung gezogen zu werden, dafür, dass die afrikanische Abteilung des Museums für Völkerkunde permanent und stetig seinen Ruf einbüsst. Diese Aussage steht - ohne wenn und aber !

Die Verteidigung wird aber nicht inhaltlich geführt.
Ich fülle also das Resumee des Instituts für Kunstgeschichte mit harten Fakten an.

Mit permanent rückläufigen Besucherzahlen schädigt das Museum den Ruf Stuttgarts. Dies hat viel mit schlechten Ausstellungen der Afrikaabteilung zu tun, mit eklatanten Mängeln bei der Dauerausstellung und am meisten mit dem Umgang von Fachpublikum vor Ort selbst. Dadurch wirkt die Afrikaabteilung des Lindenmuseums explizit geschäftsschädigend für den ansässigen Fachhandel und ist weiterhin nicht in der Lage die ihr zugeteilte Rolle zu erfüllen, ein junges Publikum über die Völker und Kulturen dieser Erde zu bilden und zu informieren.

Wie viele meiner Besucher wissen, nehme ich meine Aufgabe als Galerist insofern ernst, dass ich nicht nur opportun nachplappere, sondern Erkenntnisse und Entdeckungen in Form von Thesen formuliere. Wenn man nun irgendwo ausserhalb von Stuttgart auf eine dieser Thesen wie beispielsweise die der Bronzen zu sprechen kommt, ist eine der ersten Fragen die gestellt wird "Haben Sie schon Verbindung mit dem Lindenmuseum aufgenommen ?"

Diese Frage muss ich leider immer gleich und stereotyp beantworten. "Nein, leider war vom Museum noch niemand bei mir. Nein, nicht der Direktor, nein nicht der Codirektor, nein nicht der Leiter der Afrikaabteilung."
Es braucht wenig Phantasie, zu erahnen wie ein weiterer Gesprächsverlauf aussieht, wenn bereits im Vorfeld ein solch massiver Negativanker eine Stimmung von Misstrauen provoziert. Nicht dass in anderen Städten paradiesische Zustände zwischen Wissenschaft, Handel und Sammlern herrschen, aber dass hinter der Stuttgarter Nichtbeachtung schlicht nichts anderes als Ignoranz steht, kann man sich andernorts nicht vorstellen. Und das geht nun zu Lasten meiner ganz persönlichen Reputation.

Es ist immer ein wenig unstatthaft, wenn der Handel über Handel lamentiert. Dennoch sollte der Kommerz angesprochen werden. Denn mehr als der Handel jammert das Lindenmuseum selbst. Da geht der Herr Dr. Forkl schon mal mit der Kalebasse im mitgliedsbeitragzahlenden Publikum herum und drückt auf die Tränendrüse bis zur Peinlichkeit.

Auf meine mehrfach schriftlich gestellte Frage, ob es stimme, dass 1995 einem damaligen Kunststudent eine Ibo-Maske für DM 40.000,- aus Lotto-Totto-Geldern abgekauft wurde, die dieser für DM 100,- in Paris auf dem Flohmarkt erstanden hätte, wurde mir geantwortet, man sei der Öffentlichkeit keine Rechenschaft schuldig.

Immer hört man den Ruf heraus aus dem Lindenmuseum, es sei kein Geld vorhanden. Wo dann die plötzliche Segnung auftaucht und man jüngst für - ohne Gewähr - 160.000,- DM eine Sammlung Friseurschilder kaufen kann, entzieht sich meiner Kenntnis.

Kürzlich, ich gönne es meinem Freund dem Agrarwissenschaftler, kaufte ihm Herr Forkl für DM 6.000,- drei Lehmformationen ab, die in der Hohenheimer Universität im Bereich Bodenkunde eine Rolle spielen.
Zum Vergleich, Umsätze zwischen dem Lindenmuseum und der Galerie Peter Herrmann als Vertreter des Stuttgarter Fachhandels in nunmehr elf Jahren - DM 0,00,-

Wenn Sie nun denken, es wäre eine Fehde zwischen mir und Herr Forkl, hören Sie sich einmal um bei meinen Galeriekollegen und bei Fachexperten in ganz Deutschland. Es ist frappierend wie einhellig die Meinung ist. Ausser eben im Museum.

Ein Schriftverkehr zwischen Herr Prof. Thiele als Direktor des Lindenmuseums, einbezogen Herr Prof. Kalter als stellvertretender Direktor sowie der Kulturbürgermeisterin Frau Dr. Magdowski liegt zur Einsicht vor.

Als Anregung einer fachinternen Regelung zur Beendigung eines sichtbaren Misstandes schlug Frau Dr. Magdowski dem Herrn Direktor Thiele die Einberufung einer Expertengruppe vor. Diese Anregung fand Herr Prof. Thiele im Gespräch mit Frau Magdowski verbal konstruktiv. Dies sagte mir Frau Dr. Magdowski bei einem Besuch in meiner Galerie in der Friedenstraße und bat mich, eine solche Gruppe zusammenzustellen.

Das wollten wir nun gerne tun. Wie der Direktor des Lindenmuseums dieses Ansinnen ablockte ist auf der letzten Seite der gesammelten Korrespondenz nachzulesen. Dabei wäre die Gruppe der Experten die sich ohne langes Zögern beteiligen wollten, wirklich höchst potent. Für einen Schutzpreis von DM 10,- erhalten Sie diese Korrespondenz von meiner Mitarbeiterin Frau Kunze.

Diese Korrespondenz wird ab heute öffentlich um die zunächst intern begonnene Diskussion auf einer breiteren Plattform weiter zu führen und um mich selbst als beteiligte Person wieder zurückzunehmen. Denn ich will mich eigentlich um Ausstellungen kümmern. Um die schönen Dinge des Lebens, die man sich nicht von Sauertöpfen beeinflussen lassen soll, um Diskussionen, um sinnliche Wahrnehmungen und konstruktive Widerborstigkeiten.

Im Zeitalter der gnadenlosen Informationsschwemme ergibt sich nämlich ein eigentümlicher Effekt. Museen und Galerien gewinnen, entgegen meiner Befürchtung der letzten Jahre, wieder zunehmend mehr an Bedeutung. Es kann in aller Einfachheit gesagt werden, dass bei weiten Teilen der Bevölkerung die Konsumierung von medialer Information zu einer neuen Kategorie der Verblödung führt. Die Datenmenge die das Verbraucherhirn erreicht, kann von diesen im Grunde nicht mehr in Übersichtskategorien eingeteilt werden. Eine Verknüpfung der einzelnen Informationen findet immer begrenzter statt. Die Vernetzung mutiert zum Megalabyrith. Die Zeit beamt mich also nicht weg, denn in den Galerien findet immer noch eine Arbeit statt, die Verständnis und Kommunikation schafft. Es sind dies die Plätze, in denen Anspruchshaltungen kreiert und Sinnlichkeiten gepflegt werden.

Und Geselligkeit. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend bei einem guten Glas Wein, eine gute Tapas vom Restaurant Don Juan und Verwöhnung ihrer Gehörgänge durch Stephan Charisius an der Kora.

Guten Abend und vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Auf die Rede folgende Posse

Einer der vielen Streitgegenstände. Machen Sie sich ein Bild:
http://www.galerie-herrmann.de/arts/art2/bronzen_stuttgart/index.htm

Meine Referenzen. Information:
http://www.galerie-herrmann.de/arts/art5.htm

Lesen Sie zum Thema:
Stuttgarter Nachrichten vom 24.April 2001