Neue Zürcher Zeitung

11. März 2004

Presseseite der Galerie Peter Herrmann

Vom Idol zum Risiko

Der Maler Chéri Samba in der Pariser Fondation Cartier


Seit den späten achtziger Jahren bemüht sich die westliche Welt mit zunehmendem Eifer darum, auch zeitgenössische Kunst aus der sogenannt nichtwestlichen Welt in ihre Ausstellungen und Diskurse einzuschliessen. Wie sehr diese «Integrationsbemühungen» immer schon von Widersprüchen und bizarren Erwartungen begleitet waren, illustriert nicht zuletzt auch die Rezeptionsgeschichte des kongolesischen Malers Chéri Samba (geb. 1956), dem die Fondation Cartier in Paris derzeit eine grosse Ausstellung widmet.

In den frühen neunziger Jahren wurde Samba als die grosse Entdeckung der jungen afrikanischen Kunst gefeiert. In einem leicht naiven Realismus und mit äusserst lebendigen Farben malte er Bilder, in denen es um Sex und Aids, Politik und Armut, Krieg und Korruption ging. Für den aufgeklärten Westen, der sich seiner einstigen Begeisterung für die naiv-nativen Holzidole mit den Phallusköpfen und den grossen Brüsten doch immer noch etwas schämte, war das ein perfektes Angebot: Samba liess sich politisch korrekt idealisieren. Und also wurde das pinselnde Idol mit dem grossen afrikanischen Herzen von einer Ausstellung zur nächsten weitergereicht.

Verdächtigungen

In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre allerdings flaute die Begeisterung für Liebling Samba allmählich ab. Die «typisch afrikanischen» Themen, für die der Künstler eben noch gefeiert wurde, schienen plötzlich zu naheliegend, zu wenig individuell. Die Handschrift des Malers, vor kurzem noch wegen ihrer Direktheit gerühmt, galt vielen nun mit einem Mal als zu glatt, zu simpel, zu naiv. Und da geriet Samba in einen schrecklichen Verdacht: Kritiker unterstellten dem Künstler, er habe seinen Erfolg im Westen ganz bewusst geplant, indem er in seinen Werken Themen behandelte, die vor allem einem im Westen verbreiteten Bild von Afrika entsprachen. Damit wurde Samba für die meisten Kuratoren zu einem Risiko - mussten sie doch befürchten, einer Masche aufzusitzen, sich lächerlich zu machen.

Ob und in welchem Mass Chéri Samba seinen Erfolg im Westen tatsächlich geplant hat, sei dahingestellt. Tatsache ist, dass man einen Künstler aus Europa oder Nordamerika nie mit einem vergleichbaren Vorwurf konfrontiert hätte - nicht einmal die Jungen Wilden, die ja mit grosser Präzision emotional Aufgeladenes für den Kunstmarkt produzierten, wurden mit derartigen Verdächtigungen bedacht. Somit wird in dieser Anschuldigung wohl jenes uralte europäische Motiv sichtbar, das schon Gauguin am Ende des 19. Jahrhunderts in die Südsee getrieben hat: die Sehnsucht nach einer authentischen Kultur, der alles Berechnende fremd ist - die Suche nach einem Antidot zum westlichen Kapitalismus mit seinen Künstlichkeiten und Intrigen.

Es ist recht mutig von der Pariser Fondation Cartier, dass sie die Malereien von Chéri Samba nun erneut zur Diskussion stellt. Nach vielen ist dies seine erste Schau in einer wichtigen Institution des Westens - sieht man von Präsentationen in Häusern ab, deren Programm auf sogenannt nichtwestliche Kunst ausgerichtet ist. Allerdings zeichnet die Pariser Schau auch ein etwas verändertes Bild des Malers aus Afrika. Zwar finden sich einzelne Werke, in denen es etwa um Politik, Korruption oder Aids geht: Ein Gemälde von 1997 etwa trägt den Titel «Le Sida ne sera guérissable que dans 10 ou 20 ans», und in «L'agriculteur sans cerveau» von 1990 macht sich Samba über Widersprüche bei der Entwicklungshilfe lustig.

Verlangen nach Anerkennung

Die meisten Bilder der Pariser Schau aber handeln von Chéri Sambas Schwierigkeiten als Maler aus Afrika in einer westlichen Kunstwelt. In «Peinture de Chéri Samba» von 1993 etwa versucht ein weisser Kunstliebhaber mit Hilfe einer riesigen Lupe drei Bilder von Chéri Samba zu verstehen, die vor ihm auf einer Tapete mit Afrika-Muster hängen - eine vergebliche Anstrengung, wie schon die Körperhaltung verrät. In einem anderen Gemälde will der Maler die Differenz zwischen ihm und seinen Kritikern aufgreifen - und gütlich beilegen. 1997 marschiert Samba Seite an Seite mit Pablo Picasso auf das Musée d'Art moderne zu und fragt sich «Quel avenir pour notre art?». Und 1999 porträtiert er sich im Anzug an einem Tisch, auf dem Werke afrikanischer Stammeskunst aufgereiht sind: «Hommage aux anciens créateurs».

Viele Bilder in dieser Ausstellung wirken wie dicke Fragezeichen, die Samba auf die verschiedenen Erscheinungen der westlichen Kunstwelt malt. Doch Samba verlangt auch klar nach Anerkennung seiner Verdienste als Künstler. In einem der jüngsten Bilder formen rote Bänder eine Art Herz über Bündeln von Geldnoten: «Heute habe ich viel Verantwortung, und deshalb brauche ich viel Geld», schreibt Samba dazu. «Dieses Geld verdiene ich genauso wie die grossen Künstler der westlichen Welt.» Dem sei hier nicht widersprochen. Leider aber macht die schwierige Rezeptionsgeschichte von Sambas Bildern eine Diskussion über die künstlerische Qualität seiner Arbeiten fast unmöglich - mutige Schritte wie diese Pariser Schau machen diese Diskussion vielleicht eines Tages wieder möglich.

Samuel Herzog

Chéri Samba - J'aime Chéri Samba. Fondation Cartier pour l'art contemporain, Paris. Bis 2. Mai. Katalog Euro 40.-.