Die Welt: Kunstmarkt. 9.4.2005
Presseseite der Galerie Peter Herrmann



Das Heilige und der weibliche Körper

Die Bilder der algerischen Malerin Louzla Darabi provozieren Muslime im Westen - Zu Hause ist man tolerant

von Simone Guski

Göteborg/Paris/Berlin - Nach langen acht Jahren wieder einmal in ihre Geburtsstadt Oran zurückgekehrt, malte Louzla Darabi im Rahmen eines Werkstattprogramms mit algerischen Frauen eine Serie von Bildern, in denen es ihr um "das Heilige und den weiblichen Körper" ging. Eine brisante Mischung. "Die Liebe führt zur Spiritualität und deshalb zu Gott", erklärte die junge algerische Künstlerin Louzla Darabi unbekümmert auf ihrer Webseite. Gleichzeitig ging sie malerisch der Situation "des Körpers im öffentlichen und privaten Bereich nach und der engen Verbindung von Sexualität, Sensualität, Mutterschaft und der Wirkung von Scham und Ehre auf den weiblichen Körper". Denn Kunst solle schließlich etwas über die Menschen erfahrbar machen.

Zwei Bilder dieser Serie gelangten in die noch bis Dezember 2005 laufende Ausstellung "No name fever - AIDS im Zeitalter der Globalisierung" im Göteborger Museum für Weltkulturen; und eines davon mußte Anfang Februar eiligst wieder entfernt werden: "Scène d´amour", die Darstellung eines Liebesakts, auf den weiblichen Körper fokussiert, in klarem Weiß, Gelb, Rot und mit einem Koranvers am oberen Bildrand überschrieben.

Jette Sandahl, die Direktorin des Museums gegenüber dem Fernsehsender Al Jazira: "Die Mischung aus Malerei und Koranvers wirkte auf viele Menschen offensiv. Wir haben offensichtlich viele Menschen tief verletzt." Das Museum war mit E-Mails überschüttet worden, von denen "die meisten höflich waren, aber auch einige beleidigend."

Im Museum blieb ein Werk gleichen Themas, "Scène d´amour 3", jedoch ohne Koranvers, ein zeichnungsähnlich angelegtes großformatiges Bild in weiß und grün mit verwandtem Kompositionsschema. Wo das abgehängte Bild strahlte, war aber nur kurz ein leerer Platz. Das Museum hat mit dem Berliner Galeristen Peter Herrmann, der die Künstlerin europaweit vertritt, verhandelt, und er hat dem Haus ein eher bukolisch skizziertes Ersatzbild, "scène d´amour 2", natürlich auch ohne Koranvers, zurückgeschickt.

Der Galerist weist im Übrigen darauf hin, daß die gesamte Bildserie im vergangenen Jahr in Algerien, in Oran, ausgestellt war, "und das hat dort niemanden aufgeregt". Der muslimische Protest im Westen erstaunt daher ein wenig. Obwohl: In der Fremde ist man oft empfindlicher.

Louzla Darabi sagt dazu im Gespräch über sich: "Ich bin de facto Muslimin. Denn wenn man in einem muslimischen Land geboren ist, dann ist man Muslimin. Aber ich bin keine praktizierende Muslimin. Ich glaube nicht an den Koran. Doch ich denke über ihn nach. Und er hat seine eigene Spiritualität."

Die junge Frau, die vor sechs Jahren das Kunststudium abschloß, bewegt sich in dem Bereich zwischen Malerei, Video und Tanz. Auf der Leinwand geht sie einer realistischen Malweise nach. Wie kommt man damit zurecht, wenn man einer Kultur des Bilderverbots entstammt, in der trotzdem Medienbilder allgegenwärtig sind? "Ich bin in beiden Kulturen aufgewachsen, der algerischen und der französischen. Ich begann zunächst im Stil des abstrakten Expressionismus zu arbeiten. Als ich zum ersten Mal ein Gesicht malte, fühlte ich trotzdem so etwas wie ein Tabu. Meine Sehgewohnheiten sind jedoch mehr europäisch als orientalisch. Wenn man das figurative Malen ernst nimmt, dann gibt es kein Verbot, nur, das ja, eine Verantwortung."


Louzla Darabi

Die Welt