Kolumnen | Galerie Peter Herrmann |
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Kolumne von Hermann Stauffer 10.9.2002 Turbo-Kapitalismus gefährdet die Galerien oder: Was will uns "Art Consulting"? Das Phänomen ist bekannt: Schon seit einiger Zeit drängen so genannte unabhängige Anbieter auf den freien Kunstmarkt, die allen Beteiligten das Blaue vom Himmel versprechen: dem Käufer niedrigere Preise, dem Künstler höhere Anteile am Erlös. Möglich sein soll dies durch neuartige Formen des Kunstmarketings, durch flexible Präsentation und gezielte, bedarfsorientierte Einbindung persönlicher Beziehungen. Als Grund allen Übels werden die Galerien ausgemacht, die Schuld an den hohen Kosten von Kunstwerken haben. Wer sind diese Leute, und was wollen sie? Was sind die Konsequenzen für Künstler und ihre Galeristen? Wölfe im Schafspelz "Lean Management", "Just in Time"-Ausstellungen und "Private Policy", das sind die modischen Schlagworte, mit denen die auf den Markt drängenden Unternehmen operieren. Das Angebot klingt verführerisch: Höhere Gewinnbeteiligung des freischaffenden Künstlers, größere Unabhängigkeit und mehr Flexibilität, Nutzung persönlicher Ressourcen. Aber wer sind diese Anbieter eines angeblich so revolutionären Marktkonzepts? Blickt man hinter die Kulissen, dann sieht man durchaus bekannte Gesichter, die man vom letztlich recht überschaubaren Kunstmarkt kennt. Sie treten nur anders auf, indem sie sich und anderen eine einfache Kosten-Nutzen-Rechnung präsentieren: Durch den Wegfall der - wie jeder weiß - oft sehr hohen Galeriemieten und des Arbeitsaufwands von Galeristen können Preise gesenkt werden, Kunstwerke dadurch in Zeiten knappen Geldes als Investition wieder attraktiv gemacht werden. "Deutlishe" Worte Mit dem Wegfall der Galerie als Ausstellungsort ist der zentrale Punkt berührt, um den es beim "Art Consulting" geht. Dessen "Macher" halten Kunst nicht permanent präsent, sondern ziehen sich auf die Rolle als Organisatoren von "Events" ohne dauerhafte "Location", auf Wunsch mit "Catering" und "Live-Act", zurück. Hinter diesem modischen "Deutlish" verbirgt sich nichts anderes als das, was der Galerist traditionell zu tun pflegt, mit einem einzigen, gravierenden Unterschied: Der Ort, der ein über Jahre gewachsenes (und oft mühsam erobertes) Konzept von künstlerischen Zusammenhängen und Entwicklungen dauerhaft und kompetent repräsentiert, existiert nicht mehr. Die Rechnung geht freilich nur für den auf, der naiverweise glaubt, die mit dem seriösen Kunsthandel verbundenen Kosten durch die Abschaffung genau derjenigen Institution senken zu können, die durch die Symbiose zwischen dem Produzenten und seinem Händler (man nennt das auch Arbeitsteilung) erst lebensfähige Produkte erzeugt. Wenn das Milchmädchen rechnet Was ist gewonnen, wenn die Galerie als Institution des Kunsthandels abgeschafft wird, wenn die Zeit und die Arbeit, die der Galerist investiert, wegfällt? Läßt sich Kunsthandel ohne Folgekosten auf bedarfsorientiertes "Marketing" reduzieren, dem Baukastenprinzip folgenden Regeln der Betriebswirtschaft gemäß verkaufen? Die derzeitigen Lektionen der Industrie und des Kapitalmarktes legen es scheinbar nahe. Aber: Strukturanpassungsmaßnahmen in der Automobilproduktion oder auf dem Einbauküchensektor lassen sich nicht in den sensiblen Kunstbereich umsetzen. Weder kann die Produktion nach Indien verlagert noch können infolge der Abschaffung von Lagerkosten durch verkürzte Zuliefer- und Vertriebswege Herstellungskosten gesenkt werden. Und wer zahlt, wenn die Zukunftsinvestitionen des Galeristen wegfallen? Die Lektion ist einfach, aber bitter: Der Künstler selbst, der sich jenseits einer "eventgerechten" und "bedarfsangepaßten" Ausstellung gezwungenermaßen selbst wird vermarkten müssen. Und der "Art Consultant" ist fein raus. Erste Lektion in Sachen Kapitalismus Wer auf dem freien Markt tätig ist, egal in welcher Branche, muß dessen Lektionen lernen und sich ihnen anpassen - daran führt kein Weg vorbei. Es gibt freilich in jedem Marktsegment, und so auch auf dem Kunstmarkt, eigene Regeln, die sich aus guten Gründen im Lauf der Zeit etabliert haben. Die Regel für den Künstler lautet: Wenn ich verkaufen will (und wenn ich Glück habe), kann ich die ökonomische und ästhetische Kompetenz des Galeristen nutzen, der seine Arbeitszeit und Räumlichkeiten zur Verfügung stellt, um die Ware, an deren Marktfähigkeit er glaubt, für den potentiellen Kunden vorzuhalten. Was bedeutet: Der Galerist hat die Ware Kunst nicht allein in seinen Räumlichkeiten stets zur Verfügung, um dem Kunden einen oft spontanen, oft genug aber auch komplizierten Annäherungsprozeß zu ermöglichen, sondern er hat stets auch die "ganze Geschichte" im Hinterkopf präsent, die die so schwierige Entscheidung einer Investition in den Wert "Kunst" erst plausibel macht. Wo kein Galerist ist, ist keine Kompetenz und keine Verantwortung vor Ort. Punktum. Die Mär von den überhöhten Preisen Die von bestimmter Seite vermehrt gestreute und von den "Art-Consulting"-Firmen als Hauptargument ins Feld geführte Behauptung, die Galeriepreise für Kunst seien überhöht, und durch geschickte Marketingstrategien ließen sich erhebliche Kosten sparen, erweist sich bei näherem Hinsehen schnell als unrealistisch. Welcher Galerist, der nicht knallhart kalkuliert, kann sich in einem heiß umkäpften, von starker Konkurrenz nur so strotzenden Markt behaupten? Freilich, Spekulation ist gerade heute allerorten verbreitet, aber Kunst hatte schon immer ihren Preis. Und es geht in den allermeisten Fällen ja gerade nicht darum, große Namen zu verkaufen, sondern Künstler überhaupt erst auf dem Markt zu positionieren. Und dafür ist ein Verbund von Etablierten, von Reüssierenden und von ganz Unbekannten, ist der richtige "Mix" in der Galerie von Vorteil. Diese Mischung wird kein Betriebwirtschaftler je zustandebringen. Es ist die Kunst des Künstlers im Verein mit der Erfahrung des Galeristen, die über Erfolg und Nichterfolg entscheidet. Punktum. Galerien in Gefahr Die Galerien - und bei weitem nicht allein die national operierenden, sind durch diese "neue" Art von Künstlermanagement in Gefahr - vor allem aber die Künstler selbst. Die allein an die Persönlichkeit des ausschließlich für seine Künstler arbeitenden Galeristen gebundene, auf gewachsenem gegenseitigem Vertrauen zwischen Produzent und Käufer fundierende Vermarktung, für die er als Zwischenglied einsteht, ist bei einer auf unverbindliche Beratertätigkeit (consulting) reduzierten Art der Nicht-Kooperation nicht mehr gefragt. Mit allen Konsequenzen. Entscheidend ist allein der "schnelle Euro" des "Consultants", der mit demselben Verantwortungsbewußtsein Zahnpasta oder Katzenfutter verkaufen wird, wenn der Kunstmarkt nichts mehr hergibt. Dem Künstler als Anbieter von Ware wird der Mund wässerig gemacht durch das Versprechen einer höheren Gewinnbeteiligung aufgrund des Wegfalls von Miete und Arbeitszeit, die in der Galerie steckt. Doch wie jede partnerschaftliche Verbindung bedeutet eine gemeinschaftliche Investition langfristiges Engagement. Die alten Ehen sind die glücklichen. Die Zukunft der Künstler Was bedeutet es für den Künstler, wenn kein Galerist mehr für ihn die Arbeit des "Anschaffens" erledigt? Er oder sie wird genau dies selber tun müssen, denn von alleine verkauft sich kein Bild und keine Plastik, und zwischen "Event" und "Event" können die Durststrecken so lange sein, daß die rettende Quelle nicht mehr erreicht wird. Und wird der "Consultant" konsultiert, will er dafür Geld sehen. Wer nie zahlt, ist der "Consultant", das ist sicher. Und weiter: Der Kunstproduzent muß für die Lagermöglichkeiten selber aufkommen, sprich selber Raum organisieren, Miete zahlen, und er muß Transport, Hängung usw. selbst disponieren - oder dafür zahlen. Oder zahlen lassen. Für die neuerdings vielbeschworene "Nachhaltigkeit" zu sorgen ist genau die Aufgabe, vor der er jetzt selbst steht. Das erledigt kein "Consultant". Dies alles kostet nicht allein enorm viel Geld, sondern wertvolle Arbeitszeit und Nerven. Es bedarf wohl keiner großen Überlegung, für was der bildende Künstler seine Zeit aufbringen möchte: Für die Produktion der Ware oder für organisatorische Tätigkeiten, die einst der Galerist für ihn erledigt hat. Und billiger wird's eben auch nicht. Nur für den "Consultant", denn der läßt sich dafür auch noch bezahlen, daß er nichts tut. Gegenstrategien entwickeln Jeder bildende Künstler sollte sich darüber im Klaren sein, was eine Entscheidung gegen die Galerie bedeutet: die Abwälzung von Kosten zu seinen Lasten, unendliche Mehrarbeit auf Kosten der kreativen Tätigkeit, finanzielle Vorleistung, Abhängigkeit von kurzfristigen Trends und Entscheidungen, ein Bittstellerdasein ohne Solidarität. Und er sollte eine klare, definitive Entscheidung treffen: Freier Kunstmarkt ja, aber nicht um jeden Preis. Und schon gar nicht um den Preis der so mühsam zu erobernden und zu bewahrenden eigenen Kreativität. Jeder Galerist, der darüber nachdenkt, mit "Art Consultants" zu kooperieren oder sie als Gleiche unter Gleichen auch nur zu dulden, sollte sich darüber im Klaren sein, daß er sich und seiner Zunft - Konkurrenz hin, Konkurrenz her - damit das eigene Grab schaufelt. "Art Consulting" ist der Tod des Kunstmarktes, für den die Galeristen als Bindeglied zwischen Künstler und Kunstliebhaber einstehen. Daß ein "Schutz- und Trutzbündnis" der Galerien mit ihren Künstlern vonnöten ist, bedeutet keineswegs, daß dadurch die Mechanismen des freien Marktes außer Kraft gesetzt würden - Konkurrenz belebt das Geschäft. Aber: Ein hochsensibles Territorium, eine spezialisierte, arbeitsteilige Institution von Kulturschaffenden darf sich nicht von Geldjägern das Wasser abgraben lassen, denen letztlich gleichgültig ist, wann und wo womit und wie sie eine Ware an den Kunden bringen. Es ist höchste Zeit für alle Beteiligten, dies zu begreifen. Punktum. Dr. Phil.
Hermann Stauffer. Germanist und Kulturwissenschaftler. |
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