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Kolumnen
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Peter Herrmann - 1.8.2016 |
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Aktuell
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Essay/Kolumne |
Das Monument in Baguida von Paul Ahyi
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Kunstbetrachtung |
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Ein sehr schönes Denkmal im Stil der 1970er wurde 1984 von Herr Diktator Gnassingbe Eyadema zum Andenken an die wunderschöne Zeit mit den Deutschen eröffnet. Zeiten, wo es am Schluss einer Züchtigung noch einen extra Hieb für den Kaiser gab und Recht und Ordnung noch groß geschrieben wurden. Mit den Franzosen kam dann das welsche Lotterleben und weil denen der Lac Togo und ein Landweg in die nördlichen Departements reichte, traten Sie weite Gebiete der Ewe an das britische Ghana ab. Deshalb mag der Togoer und die Togoerin das Denkmal der germano-togoischen Freundschaft. Sie möchten die Deutschen wiederhaben, die ihnen dann helfen, das verlorene Stammesgebiet bis zum Volta-Fluss wieder zurückzubekommen, damit der Strom, der am Voltastausee produziert wird, fürderhin billiger wird.
Tröstende Einwände wie: "Wir Alemannen sind doch auch unfreiwillig in fünf Staaten aufgeteilt worden und somit sind auch bei uns die Grenzen, wie jede Grenze, ein Akt der Willkür", trösten nicht. "Wenn Deutsch, meint ihr dann die Monarchie, das preussische Joch oder das süddeutsch Aufmüpfige?" Irgendwie meint man mit "Deutsch" halt Mercedes, was dann im Umkehreffekt auch bei mir plötzlich wieder ein Unabhängigkeitslichtlein weckt. Wenn die Verbindung von Herr Eyadema zu Herr Franz-Josef Strauss wieder in Erinnerung kommt und "Deutsch" als Zukunftswunsch dann stark nach Bayern tendiert, kommt Audi und BMW noch ins Spiel. Tolle Arbeit, die die Deutschen leisten würden ist noch ein Argument, wobei ich immer ein wenig das Gefühl habe, der Togoer meint, die Deutschen sollen kommen und toll arbeiten. Er selbst hat keine klare Vorstellung von Erhöhung des eigenen Pensums.
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Doch fast noch gerner als Mercedes mögen sie, die Togoer, das Monument, weil es quasi eine Bierquelle ist. Rundherum ist bestuhlt, ein wenig mehr als empfohlen, doch wenn es der Kulturverbreitung dient ... Es gibt zwar für den Abend theoretisch einen Strahler auf das Kunstwerk, der geht aber nicht. Was vermutlich besser ist. Denn im Schatten des Kunstwerks ist nicht jede Damenbegleitung die eigene Ehefrau. Auch der Pächter spart ein wenig Strom, den er lieber für den Kühlschrank nützt. Ein paar Kabel mit leeren Fassungen erinnern nur undeutlich an alte, bessere Zeiten. An die letzte Energiesparlampe kann ich mich noch erinnern. Blau und kalt platzte, sie, die keck frei hängende, über den Köpfen der sehr erschreckten Phillipinos. Das frei werdenden Quecksilber macht bei Seeluft nicht so arg viel. Es gibt also nur eine Beleuchtung von der naheliegenden Straßenlaterne. Dennoch, die unmittelbare Nähe zu dem Kreisverkehr-Baguida mit viel Hupen, Geschrei und hin und wieder einem Blechsschaden und ein klein wenig seltener mal einem Toten, machen den Platz zu einer unterhaltsamen Stätte der Begegnung.
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Sehen und gesehen werden. Dafür braucht es neben Kunst weiter nichts als noch zusätzlich ein paar große Lautsprecher, die ihre besten Tage schon lange hinter sich haben und günstig aus dem ferner Europa gebraucht mit dem Schiff kamen. Der Hafen ist nicht weit, weshalb sie sehr, sehr günstig quasi mal vom Traktor fielen. Den leichten Schaden den sie optisch und klanglich nahmen, fällt mangels relevanten Vergleichen nicht so sehr auf. Da die unfassbar primitive Musik die daraus gequält wird sowieso sehr schlecht aufgenommen ist, merkt man auch nicht, woher die Übersteuerungen oder das Nachdröhnen des Basses kommt.
Eigentlich gibt es gewisse Vorgaben, wie um das Denkmal herum alles zu funktionieren hätte. Der Pächter ignorierte jedoch gern einmal diese Hemmnisse und foltert die Besucher dann mit einer seiner zwei Musikträger die der hauseigenene DJ beisteuert. Togoisch-ghanaisch-nigerianische Billigmusik die von Frauenkörpern handelt, die man gern im Bett hätte und denen man im Text verspricht, dass es immer so bleibt. Leichte elektronische Verfremdungen, die zu Beginn der Syntesizer-Ära in den 1960ern ganz kurz schick waren bis sie auf dem Müll der Musikgeschichte landeten, geben der ganzen Stoßrhythmusquälerei eine dümmlich aggressive Abrundung. Die zweite Variante ist US-amerikanischer Soul mit ein wenig Hiphop, bei der das intellektuelle Niveau bei Motherfucker aufhört und ansonsten gequengelt und gejammert wird, dass die oder der Liebste für immer weg wäre, oder wie bei der togoisch-ghanaisch-nigerianischen Variante, für immer bei einem bleiben soll.
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Dies ist also das einzig sich überschneidende, dass es sich bei Kunst und Lärm um Frauen handelt. Ebenfalls Damen sind die Bedienungen. Wenn sie mal nicht auf einem Stuhl schlafen, essen oder gebrauchte Kleidung einkaufen, sitzen sie ein wenig beisammen und sind dann die einzigen, die hin und wieder zu der immergleichen Musik die Hüften schwingen. Da Bier ein teures Produkt in Togo ist, sind die Gäste eher situiert und wollen eigentlich reden, was aber gern durch Motherfucker unterbunden wird. Auch die jungen Damen schunkeln so selten, dass man kaum von einem permanent ästhetischen Unterhaltungseffekt reden könnte. Sie sind jung und ganz nett, wenngleich auch nicht so arg sehr attraktiv ausgesucht, damit sie nicht gleich mit dem nächstbesten Gast in eine bessere Einkommensklasse verschwinden. Wird der Tisch gereinigt, wird einem alles vor die Füße gewischt, obwohl ein Müllkorb nur fünf Meter weiter steht. Mit schlurfenden Schlappen wird dann losgeschlurgt, aber nicht ohne vorher noch mit dem Kaugummi eine Blase platzen zu lassen. Plopp.
Wenn man für fast jede Flasche einzeln über die Straße in die Bierkühlungszentrale geht, braucht es natürlich einige Beschäftigte. Das macht aber auch nicht soviel, bei etwa 35 Euro Monatsverdienst. Doch wie überall auf der Welt haben sich auch die Damen einige kleine Nebenverdienste aufgebaut und wenn mal Europäer dasitzen, die in Togo immer weniger werden und um das Monument herum sowieso, gibt es auch mal ein Trinkgeld.
Togo hat eigentlich eine bekannte Schule mit mehrjähriger Ausbildung verschiedener gastronomischer Berufe, aber aus irgendeinem Grund, scheint von dort niemand an der schönen Skulptur Dienst tun zu wollen. Wackeln die Tische doch zu sehr? Jedenfalls ist der Pächter stolz, dass er das Terrain sauberhält und dergestalt gefegt das attraktive weibliche Paar hervorhebt.
Das der Skulptur anhaftende Aufklärungsschild sagt eigentlich mehr über den früheren Präsident als über Freundschaft und Künstler. |
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Gustav Nachtigal hieß der wichtige Mann der den Togoern 1884 anbot, sie vor den bösen Briten, Franzosen, Spaniern und Portugiesen zu schützen. Er ist in Togo deshalb eine hoch geachtete Persönlichkeit. Erst jüngst entdeckte ich sogar ein Cyber-Cafe, dem man ganz modern seinen Namen gab. Es war an dieser Stelle des Kunstwerks in Baguida und im nahen Togoville an denen es zu den Abschlüssen der Protektionsverträge kam. Dank des Künstlers Paul Ahyi wird somit, prächtig nachhaltig in soliden Beton gegossen, an ihn und die ewig währende togoisch-deutsche Freundschaft erinnert.
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Jener Herr Nachtigal hatte aber leider vergessen, den Togoern vorzuschlagen, dass man sie auch vor Schweizern und Holländern schützen müsse. Die verhängnisvollen Folgen davon bekommen sie heute zu spüren. Denn es tauchten nun weit weniger geachtete Persönlichkeiten auf.
Denen eindeutig weniger die Kunst und Erinnerung am Herzen liegen, sondern eben Bier. Reichlich Bier. Im Gegensatz zu Togoern, die meist schon mal ökonomischer denken müssen, können sich Schweizer mit dem Stoff fast für Null bis zur Oberkante abfüllen. Schicke Namen wie Wurstmacher, IQ-Whiskyflasche, Mongo-Doppelkinn und Schnapsdrossel Mama sind vielsagende Beinamen, hinter dem Rücken an die verkostenden Protagonisten vergeben.
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Im großen Schatten meiner Vorväter suche ich Kunst betrachtend also Ruhe, Kurzweil und manchmal auch eine Damenbekanntschaft. Tatsächlich verleiht das Kunstwerk trotz allem Beiwerk eine noble Ausstrahlung. Groß ist die stationäre Auswahl des Konsums nicht. Es gibt ein Bier das man hier in Togo Piss nennt aber eigentlich Pils heißt, und wesentlich günstiger ist als Eku, das eigentlich deutsch war und auf Ewe schlicht Tod heißt. Zwischen diesen zwei, Piss und Tod, wähle ich, wobei die Kriterien auch ein wenig vom Geldbeutel abhängen. Piss ist viel und günstig. Eku standesgemäß, aber auch Tod kann teuer sein.
Der Ausschank selbst, auf der anderen Straßenseite, in dem sich die Steuerungsanlagen für Frische und Lärm befindet, sieht schon weit weniger Standesgemäß aus. Verbogenes Wellblech, leere Bierkästen und ungepflegter Vorplatz schaffen einen natürlichen Gegensatz zum Anspruch der Ästhetik, den Paul Ahyi gewollt hatte.
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Ich habe noch gar nie geschaut, ob die Schweizer wie Schweizer ordentlich auf die etwas versiffte Toilette gehen. Die Togoer sind jedenfalls eher im Umfeld der ordentlich sauberen Skulptur zugange um Pils als Piss loszuwerden. Sie pissen gewissermaßen einen großzügigen Halbkreis um den kleinen Park. Dass nebenan ein offener Sandplatz für spielende Kinder ist, wird beim pinkeln ordentlich ignoriert. Eigentlich ist es sogar der beste Platz für die Verrichtung, weil der Schniedelpietz hinter einem kleinen Mäuerchen verschwindet. Wenn dann mal auf großer Holzwand mit Projektor ein Europameisterschaftsspiel gezeigt wird, schwemmt es fast schon den Sand weg. Wegen guter Sicht wird dann das begehbare Denkmal von gut 60 Menschen betümmelt. Die zwei Damen der Skulptur schauen derweil leicht pikiert in die andere Richtung.
So richtig wirklich hat es nichts mit der Erinnerung an internationale Freundschaft zu tun. Es sei denn, man sagt, dass Bier eine urdeutsche Geschichte wäre. Das geht aber nur, solange keine Belgier oder gar Tschechen da wären.
An normalen Tagen geht es um das Kunstwerk herum eindeutig beschaulicher zu und es wird dann schnell zum Marktplatz für fliegende Händler und Händlerinnen. Gebrauchte und neue Kleidung, Uhren, Mützen, Telefone, Bohnenküchlein, Nüsse, Heil- und Potenzmittelchen, Bücher und Fleischspieße sind nur ein Ausschnitt des reichhaltigen ambulanten Angebots, das kommt und geht und einen von allzu tiefsinnigen Gedanken abhält.
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Es gibt wenige bildende Künstler in Togo die über die Grenzen hinaus bekannt wurden, der bekannteste war wohl Paul Ahyi. Skulpturen im öffentlichen Raum sind in Togo sehr selten und nach Ahyi hat kaum mehr ein anderer Künstler einen Auftrag erhalten. Zumindest oberflächlich betrachtet, gab es unter Herr Diktator Eyadema mit Freund Herr Fastdemokrat Strauss mehr Kultur als nach Annäherung an westliche, neoliberale Forderungen. Heute gibts viel Hilfe und alle Helfer fahren im japanischen Vierrad mit Chauffeur. Kunst und Kultur haben in diesen Hilfsprogrammen keinen Platz.
Deshalb erinnert die Skulptur auch an glanzreiche Zeiten der bajuvarischen Okkupation, die im Fahrwasser von Franz-Josef DieGötterhabenihnseelig stattgefunden hat. Metzgerei, Viehzucht und Supermarkt Marox sowie Gaststätten mit dem klangvollen Namen Alt-München erinnern an vergangene Größe. Doch heute ist selbst die Eku-Brauerei wieder in welscher Hand. Die Franzosen haben schon immer sehr subtile Methoden entwickelt, um die Deutschen unauffällig wieder loszuwerden. Ein paar übrig gebliebene Rentner, die bis heute mehr bayerisch als französisch oder in seltsamer Mischung Radebrechen sind mit ihren togoisch Angetrauten zweimal im Jahr am Kunstwerk zu sehen.
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Allerdings ist die Aufmerksamkeit selbst für diesem großen Künstler Ahyi geteilt. Ein langjähriger deutscher Freund des Wurstmachers mit dem Outfit eines Waldbewohners des hohen Nordens, der wiederum langjährig dem niederländischen Pächter nahesteht, brachte die Meinung der Gruppe einmal auf den Punkt: "Ha! Scheisse. Mit der Planierraupe drüber und plattgemacht. Wer will denn diese Scheisse hier. Dann gibts mehr Platz für Tische".
Von der Notwendigkeit der Skulptur konnte ich ihn mit dem Argument überzeugen, "dass doch für ihn und seine Freunde schon ausreichend Tische da wären und selbst diese Tische nicht mehr stehen würden, wäre das Betonding hier nicht von Deutschland finanziert. Dann wären auf dieser Fläche togoische Bretterbuden." Das schien ihm logisch und er verstand nun den Sinn von Kunst und Kultur. Fröhlich und kameradschaftlich prostete er mir zu. Als professioneller Kunstvermittler muss man eben neben der Gender-Sprache der Kunsthistorikerinnen fern der Heimat auch noch andere Dialekte beherrschen. |
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