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Galerie Peter Herrmann


 

Rede zur Eröffnung der Ausstellung Fausto - El Espíritu de la Tierra - Ixbalanqué mit der Künstlerin Laura Anderson Barbata in den Räumen der Galerie Peter Herrmann, Berlin.

Peter Herrmann


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Peter

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Freunde,

eigentlich müsste ich es nicht betonen, es hat eine gewisse Selbstverständlichkeit. Dennoch gibt es Dinge, die man ritualisierend und auch gerne wiederholt.


 

Ähnlich dem Konzert, dem noch der eine oder andere andere Ton vorausgeht, wenn ein Instrument noch einmal gestimmt wird. Ich freue mich also, Sie hier und heute in meinen Räumen begrüßen zu dürfen. Und ganz besonders, Ihnen die Künstlerin selbst vorstellen zu können.

......

Diese Rede hat mich in der Vorbereitungsphase viel Mühe gekostet. Zum einen, weil dies erst die zweite Ausstellung mit Laura Anderson Barbata ist, zum zweiten, weil sie aus einem Kulturkreis kommt, mit dem ich bisher nur oberflächlich vertraut war und last not least, weil die Arbeiten selbst sich in solchen vielschichtigen Ebenen bewegen, daß die Darstellung in einer Einführungsrede eine höchst diffizile Kunst des Kürzens erfordert.

Dieses Prinzip des Kürzens haben wir denn auch auf die Ausstellung selbst übertragen. Ursprünglich war von mir geplant, Objekte der Ausstellung "en el orden del caos", die wir kürzlich in der Landesbank Baden-Württemberg in Stuttgart zeigten, hier einzubauen.

Aus aktuellem Anlass beschränkten wir uns auf wesentliche Aussagen und wesentliche Arbeiten. Die in Stuttgart gezeigten Werke sind hier in Galerie. Wer sich nach der Eröffnungsveranstaltung dafür interessiert, bekommt gerne eine Beratung. Sie sehen einige Objekte in den ausliegenden Katalogen.

Von Erinnerungen handeln die Arbeiten Laura Anderson Barbata's, von Dingen, die uns verloren gehen, von Verlusten geistiger Materie, von vorsichtigen Versuchen, dabei noch etwas herüber zu retten ins Zeitalter des tobsüchtigen nach Vorne eilens.

Laura ist an drei äußersten Polen der menschlichen Entwicklungen zu finden. Eine geistige Frontkriegerin sozusagen. Durch ihre Wohnsitze in Mexico City und New York lebt sie in zwei exemplarischen Zentren der Urbanität. Mexico City gehört mit Städten wie Kairo und Lagos zu den explosivartig expandierenden Neumetropolen, New York ist eine patinierte Handelsmetropole des zwanzigsten Jahrunderts.

Der zweite Pol liegt im Regenwald Südamerikas. Wir neigen dazu, diese Gebiete als den äußeren Rand der Zivilisation zu empfinden. Dort wo der Sog der Städte dispersiv die am engsten mit der Natur Lebenden aufsaugt. Dort, wo tagtäglich ungeheure Mengen gelebtes und überliefertes Wissen in den Orkus der Geschichte wandert. Geopfert wird auf dem Altar des Informationszeitalters, verloren geht durch Tod und Abwanderung

Der dritte Pol ist die Vergangenheit, heisst Chilam Balam, Popol Vuh und Alchemie. Die Wissensfelder aus denen beide Kulturen in all ihrer Gegensätzlichkeit ihre Wissensgrundlage haben.

Dieser Pol ist der Urquell und Ausgangspunkt von Laura, seine Bedeutung wird von Carl Gustav Jung treffend beschrieben:
...Wir sind statt dessen in einen Katarakt des Fortschritts hineingestürzt , der mit umso wilderer Gewalt vorwärts in die Zukunft drängt, je mehr er uns von unseren Wurzeln abreißt. Ist das Alte einmal durchbrochen, dann ist es meist auch vernichtet, und es gibt überhaupt kein Halten mehr. Es ist eben gerade der Verlust dieses Zusammenhangs, die Wurzellosigkeit, die ein derartiges "Unbehagen in der Kultur" und eine solche Hast erzeugt, daß man mehr in der Zukunft und ihren chimären Versprechen eines goldenen Zeitalters lebt, anstatt in der Gegenwart, bei welcher unser ganzer entwicklungsgeschichtlicher Hintergrund noch nicht einmal angelangt ist.

Sehr geehrte Damen und Herren, bitte übersehen sie nicht , eine Einführung kann nur Wesenskerne ansprechen aber nicht alles im Detail ausführen. Die Künstlerin tut dies. Ich habe Ihnen gegenüber lediglich den Vorsprung, mich mit der Arbeit der Künstlerin im Vorfeld intensiver beschäftigt zu haben und kann Ihnen gewissermaßen mit dieser Einführung meinen Vorsprung anbieten.

Als ich diese Rede schrieb, vermied ich es, die schon veröffentlichten Texte aus Katalogen und dem Kunstforum über Laura zu lesen. Ich tat dies vor unserer ersten gemeinsamen Ausstellung in Stuttgart vor drei Monaten. Diesmal wollte ich mich jedoch nur noch von den Inspirationen leiten lassen, die ich mit den Arbeiten von Laura selbst hatte. Unfertig und fragmentarisch wie es nur sein kann.

Oberflächlich streifte ich das Popol Vuh, Hintergründe von Chilam Balam waren mir neu. Doch nun, in dieser Ausstellung, kommt eine andere Dimension hinzu. Die Alchemie, mit der ich über Goethe und Jung schon näher konfrontiert war. Das große Werk Goethes, Faust, das gewissermaßen den diabolischen Aspekt des sich in die letzten Winkel vorfressenden Turbokapitalismus vorzeichnete. Die Subsistenzwirtschaft der zwei Alten Philemon und Baucis zugunsten der Verknechtung eines Heils versprechenden Zentralismus durch Mephistopheles auflöste. Falsche Versprechungen in unvergesslicher Dichte und einprägsamer Genauigkeit als Methode angewandt.

Faust:
Arbeiter schaffe Meng auf Menge.
Ermuntre durch Genuß und Strenge,
Bezahle, locke, presse bei!

Faust gehört zu den Werken der Weltliteratur, die durch ihren Inhalt eine immerwährende Aktualität besitzen. Laura Anderson Barbata wurde mit Faust und Mephistopheles im Regenwald Amazoniens konfrontiert, ich selbst im Kongobecken. Es eint uns eine gemeinsame Erfahrung, die uns in Zwischenwelten wirft. Beide sind wir enormen Widersprüchlichkeiten ausgesetzt, die Goethe durch Mephistopheles artikuliert:

Ich müßte keine Schiffahrt kennen:
Krieg, Handel und Piraterie,
Dreieinig sind sie, nicht zu trennen

Beide waren wir an der zivilisatorischen Peripherie mit kurzem Leben und infektiösen Krankheiten konfrontiert, die unser Leben aus dem Blickwinkel der bürgerlich Seßhaften abenteuerlich erscheinen ließen. Doch nicht weniger abenteuerlich ist das Leben in den neuen Metropolen. Nur sind hier Bakterien immer weniger ein Teil dessen, was wir als Natur begreifen. Vielmehr geht die Bedrohung von einem dunklen Prinzip aus. Um Besitztum zu sichern wird jede Methode legitimiert. Eisen, Atom, Chemie, Biologie. Ganze Horden von Wissenschaftlern sind der schwarzen Magie verfallen und forschen nach Dingen, die sich nun gegen die Menschheit wenden.

Um mehr zu bekommen, das Gehortete zu sichern, wurde den Armen abgepresst und ihnen höhnisch vorgegaukelt es sei zu ihrem Wohle. Ein Waffenarsenal das jede Vorstellung sprengt, wird nun ad absurdum geführt. Die von den Gralshütern der verlogenen Moral selbstgezüchteten Bakterien, werden im Guerillakampf als Kleineinheit zu unserer größten Bedrohung. (Übrigens, zwanzig Prozent des offiziellen Rüstungsexports Deutschlands sind Erreger-Kulturen.)

Die Geister die wir riefen...

Ich hoffe, diese Gedankenpartikel haben Sie wieder auf Faust eingestimmt. In Ansätzen erkären Sie den Video von Laura, der, um seine volle Wirkung zu erzielen, den großen Raumteil für sich beansprucht und als Loop ein Bild in Ihnen prägen soll.

Sprung. - Chilam Balam

Gebunden an den Baum bleibt Co Kin, Der-Die-Sonne-Verspottet.
Doch wessen Herz sich über ihn lustig macht, den wird die Prophezeiung treffen.

Auch Laura betritt zunächst die Welt des Regenwaldes mit einer sogar dreifachen akademischen Schulung. Architektur, Soziologie und Bildhauerei. Sie kommt als Abgesandte des Ratio in die Welt des Emotio. Ihre Aufgabe sind Sozialprojekte. Das Wort impliziert bereite die übergeordnete Stellung. Doch nun tut Laura etwas, zu dem tatsächlich nur Wenige in der Lage sind. Sie ordnet sich auf adequater Ebene ein. Lehrt und lernt.

Der Titel einer Arbeit Lauras ergibt sich daraus. "Du kannst ein Buch nicht durch den Umschlag lesen".

Doch lassen Sie mich nun über einen kleinen rhetorischen Umweg zu den heute ausgestellten Werken kommen.

Die westliche Welt der Kunst wird dominiert von Beamten, deren maßgebliches Tun in strukturellen Kontext zu finden ist. Es weht ein opportunistischer Geist, der sich in kryptischen Satzverschachtelungen eigens dafür engagierter Schreiber mit Kulturmanagementdiplom äußert, die Kritik zur institutionalisierten Methode machen und Provokation zu einem verschulten akademischen Lehrfach.

Wie eigentümlich anders ist vor diesem Hintergrund das aufgewühlte Gefühl, das sich immer intensiver werdend steigert und sich nur vergleichen läßt mit jenem, das sich einschleicht in Grotten voll mit Gebeinen. Situationen in denen wir konfrontiert werden mit Vergänglichkeiten. Den Bezug zu uns erspüren, uns angezogen und abgestoßen gleichzeitig fühlen. Das Ratio setzt sich in Gang um die sich widersprechenden Ebenen in Einklang zu bekommen. Eindrucks voll also.

"Epitomé oder eine einfache Methode, die Sprache der Nahuatl zu erlernen"

Diese Arbeit ist von Lauras hier ausgestellten die für mich am schwersten zu erfassende. Seit ich zum ersten Mal in einem Buch, dann auf Dias, dann bei der Vervielfältigung auf meinen Seiten im Internet damit konfrontiert wurde, versuche ich der Arbeit näher zu kommen. Welche Aussagekraft. Gewalt, Symbol, Zynismus, Pathos. Auf Wachs gebrachte menschlichen Zähne, wie Maiskolben in einer Vorratssituation. Aus Mündern die offensichtlich Nahuatl sprachen und uns posthum den Zugang dazu ebnen sollen.

Magaziniert liegt hier die von mir Eingangs erwähnt Vergangenheit. Die Sprache der Nahuatl wird zur Metapher dessen was wir verlieren und dessen was wir uns eventuell erhalten sollten.

 

Ganz zum Schluß möchte ich noch auf die im Eingangsbereich wirkende Arbeit in Form eines industriell gefertigten Teppichs kommen die den Titel hat "Tours and Revolution".

Der Titel verweist auf touristische Reisen und Revolutionen der Neuzeit. Beide haben nämlich eine eigentümliche Verwandtschaft. Sie sind beide kommerziell. Ausgerichtet auf Merkantilismus.

Es hat mich beim Schreiben sehr gereizt, an diesem höchst interessanten Ansatz ein wenig politisch weiter zu Lustwandeln. Man kann jedoch ein Menü zubereiten, kauen muß der Gast selber.

Eine Arbeit, die unter den gegebenen weltpolitischen Umständen nun wirklich keinerlei Erklärung benötigt, ist die im Eingangsbereich hängende, die wir als C-Print in Dreierauflage für Sie bereitliegen haben. En el orden del chaos. Die Ordnung im Chaos.

Ich bedanke fürs Zuhören und würde der Künstlerin gerne noch einen Applaus gönnen.


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